Globaler Krieg

Der Erste Weltkrieg gilt als europäischer Krieg, dabei wurden weltweit über 40 Staaten in den Konflikt mit hineingerissen. Gekämpft wurde in Europa, in Afrika, im Nahen Osten, im Kaukasus. Eine kleine Auswahl verdeutlicht die Dimension damals, die Folgen und das Erinnern heute.

Armenien

Die Zentralregierung des Osmanischen Reiches begann ab 1915 im Land lebende Armenier massenhaft zu vertreiben, auf Märsche durch die syrische Wüste zu zwingen, Hinrichtungen zu organisieren. Bis zu 1,5 Millionen Armenier kamen bei diesem Völkermord ums Leben. Als offizieller Grund galt, dass einige Tausend Armenier auf Seiten Russlands gegen das Osmanische Reich kämpften. Bis heute wird das Thema in der Türkei tabuisiert. Der 24. April, der Tag der ersten Verhaftungen, ist der wichtigste Feiertag der Republik Armenien.

Australien, selbst verwaltete Kolonie des Britischen Reiches

Australien sendete 331.814 Soldaten und 2100 Krankenschwestern zur Unterstützung der Britischen Armee. Sie kämpften am Suezkanal, im heutigen Gaza, an der Westfront und auf Gallipoli. Der 25. April, Beginn der Gallipoli-Invasion 1915, ist für Australien ein Nationalfeiertag mit großen Paraden und Gedenkveranstaltungen. Die Beteiligung am Ersten Weltkrieg war für den Einigungsprozess und die Unabhängigkeit Australiens sehr bedeutend.

Belgien

Kaum ein Land wurde so hart vom Ersten Weltkrieg getroffen wie das neutrale Belgien. Erst marschierten 1914 eine Millione deutsche Soldaten ein, die schwere Verbrechen an der Zivilbevölkerung begingen. Dann durchlief die Westfront, an der Franzosen und Engländer den Deutschen gegenüberstanden, das Land. Bei der Stadt Ypern setzten die Deutschen 1915 zum ersten Mal Giftgas ein, insgesamt starben circa fünf Millionen Menschen an diesem Frontabschnitt. Im flämischen Ypern steht das Menen-Tor, das zur Erinnerung errichtet wurde und in das die Namen von fast 55.000 vermissten Commonwealth-Soldaten eingraviert sind. Seit 1928 wird unter dem Torbogen jeden Abend um 20 Uhr mit einer Zeremonie der Toten gedacht. In den nächsten Jahren werden im ganzen belgischen Flandern zentrale Gedenkfeiern stattfinden, die unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ stehen.

China

Als Kriegspartei spielte China im Ersten Weltkrieg kaum eine Rolle. Aber in Frankreich arbeiteten 185.000 chinesische Bauern hinter der Front. Sie wurden mit Versprechungen auf gute Bezahlung und Behandlung angeworben und mussten dann im Bombenhagel Schützengräben ausheben. Viele starben. Heute in Frankreich lebende Chinesen halten die Erinnerung an ihre Vorfahren aufrecht. Einmal jährlich treffen sie sich, um der Arbeiter zu gedenken.

Frankreich und Kolonien

In keinem anderen Krieg beklagte Frankreich so viele Opfer wie im Ersten Weltkrieg. Allein 1,3 Millionen französische Soldaten starben, ganze Landstriche an der Westfront wurden verwüstet. Doch in und für Frankreich kämpften nicht nur Franzosen, sondern auch 550.000 Soldaten, die in Nord- und Westafrika, aber auch in Indochina, Madagaskar und Somalia rekrutiert wurden. Obwohl sie ihr Leben lassen sollten, waren sie vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt und ihre Verluste besonders hoch. Heute sind die Jahre 1914 bis 1918 so stark im kollektiven Bewusstsein Frankreichs verankert wie in kaum einem anderen Land. Der Erste Weltkrieg ist nicht einfach nur Geschichte, sondern Erinnerung, die sich zum Ursprungsmythos des modernen Frankreich entwickelt hat und die von links bis rechts die Nation zusammenschweißt. Grund dafür sind die hohen Opferzahlen, jede Familie war vom Krieg betroffen. Mit zentralen Veranstaltungen wird in Frankreich des Ersten Weltkrieges gedacht, hinzu kommen über 900 Einzelprojekte. Erinnerungszeichen ist seit jeher her die blaue Kornblume. 

Griechenland

Griechenland verzettelte sich in direkter Folge des Ersten Weltkrieges in eine Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich, weil es türkische Gebiete für sich beanspruchte. Der Krieg endete erst 1922 mit Zwangsumsiedlungen: 1,2 Millionen Orthodoxe mussten die Türkei verlassen und 500.000 Muslime Griechenland. Bis heute sind die Ereignisse für beide Länder traumatisches Erbe. Die Teilung Zyperns und der bis heute dort schwelende Konflikt zeugen davon.

Großbritannien und Kolonien

Auch für England war der Erste Weltkrieg einschneidend und ist deswegen in der Erinnerung sehr präsent. Nicht nur starben 750.000 englische Soldaten, so viele wie niemals danach. Auch verlor England als Folge Stück für Stück seine Vormachtstellung in der Welt. Das englische Zeichen der Erinnerung ist die rote Mohnblume, jedes Jahr finden Gedenkfeiern statt. Heute wird auch darüber diskutiert, ob der rasche Kriegseintritt Englands und seiner Herrschaftsgebiete ein Fehler war. Dadurch wurde der Kontinentalkrieg zu einem Weltkrieg, der zum Beispiel in die afrikanischen Kolonien getragen wurde. Indien, Britische Kolonie Mit der „British Indian Army“ wurden 827.000 Soldaten aus Indien, Nepal und Pakistan eingesetzt. Sie waren in Frankreich, in Mesopotamien, Ostafrika, in Gallipoli, in Palästina und auf der arabischen Halbinsel. In Indien verstärkte der Krieg die Bestrebungen nach mehr Autonomie und Selbstverwaltung und führte zu einer Politisierung der indigenen Eliten und Intellektuellen. Viele Inder traten in die Provinzpolitik und Verwaltung ein, was eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Selbstständigkeit war.

Russland

Der Erste Weltkrieg gilt in Russland als „vergessener Krieg“. In der Sowjetunion wurde er aus ideologischen Gründen verschwiegen: Es war die imperialistische Zarenarmee, die kämpfte. Doch heute, zum Jubiläum, entdeckt die Staatsführung den Ersten Weltkrieg neu. Der Bildhauer Andrej Kowaltschuk baut das zentrale Denkmal, das in Moskau aufgestellt werden soll: ein Relief mit Soldatenfiguren, überlebensgroß, der Anführer streckt das Bajonett in die Höhe. Damals zog das Zarenreich mit patriotischer Begeisterung in den Ersten Weltkrieg „für Glaube, Zar und Vaterland“. Doch Pathos und Nationalismus verantworteten 1,85 Millionen tote Soldaten und den Zusammenbruch des Zarenreiches. Die Folge: Lenin und die Bolschewiki gewannen die darauffolgende Revolution und konnten 1922 die Sowjetunion gründen.

USA

"Recht ist kostbarer als Frieden" – mit diesen Worten schickte US-Präsident Wilson nach langem Zögern 1917 amerikanische Truppen nach Europa. Mehr als zwei Millionen Soldaten, darunter 350.000 Afro-Amerikaner, halfen den erschöpften Alliierten und brachten so die Wende. Am Ende starben 116.000 amerikanische Soldaten, 204.000 wurden verwundet. Auf Wilsons Bestreben hin gründete sich 1920 der Völkerbund, der jeden weiteren Krieg verhindern sollte. Heute spielt der Erste Weltkrieg in den USA keine große Rolle, was an der Kürze, aber auch an der Bedeutung der nachfolgenden liegt.

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