Die Stimmung war neugierig und zugewandt

Seit nunmehr 25 Jahren entsendet ASF Freiwillige nach Belarus, was vom 21. bis zum 24. Juni 2017 in Form einer Jubiläumsveranstaltung in Minsk gewürdigt wurde. Ein schöner Anlass auch für mich, um zum ersten Mal, zwei Jahre nach dem Ende meines Freiwilligendienstes in Minsk, wieder zurückzukehren. Rückblickend bin ich froh, mir diese Gelegenheit nicht entgehen gelassen zu haben. Neben dem Wiedersehen lieber, vertrauter Gesichter und dem Kennenlernen neuer Menschen, erfreute ich mich sehr an dem facettenreichen Programm. Dieses schuf einen Raum für persönliche Geschichten, etwa durch das eindrückliche Zeitzeugengespräch mit Pavel Markowitsch Rubintschik, oder den liebevollen Film über Andrej Iwanowitsch. Der Buchenwald-Überlebende ist heute davon überzeugt, nur aufgrund seines Optimismus und seiner Lebensfreude sein hohes Alter erreicht zu haben (er saß während der Filmvorführung zufällig neben mir, was ich erst gegen Ende feststellte, als ich nachsah, wer die ganze Zeit über so herzlich kicherte).

Auch aktuelle Themen und kontroverse Fragen wurden diskutiert, wobei mir besonders die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang und Perspektiven für Menschen mit Behinderung in Belarus in Erinnerung geblieben ist. Es war schön zu sehen, dass sich auch eher unerwartete Akteur*innen, wie etwa die Direktion des Kinder- und Erwachsenenheimes in Nowinki, an diesen Diskussionen beteiligten. Zudem bot mir die Veranstaltung die Möglichkeit, die langjährige Arbeit und das unermüdliche Engagement der verschiedenen Freiwilligengenerationen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Während meiner Zeit als Freiwillige in Minsk war ich vorrangig damit beschäftigt, mich in die gegebenen Strukturen in meinem Projekt hineinzuarbeiten. Damals fehlte mir der Blick für größere Zusammenhänge, etwa wie die heute bestehenden Strukturen und Projektpartnerschaften über viele Jahre hinweg erarbeitet und aufgebaut wurden, wie viele Schweißtropfen hierbei sowohl auf Seiten der Freiwilligen, als auch auf Seiten der Projektpartner*innen vor Ort geflossen sein mussten. Die Beiträge und nicht enden wollenden Dankesreden der Vorsitzenden der einzelnen Projekte in Minsk erzählten davon.

Es war ein besonderes Erlebnis, Vertreter*innen der Projekte in Minsk, ehemalige und aktuelle Freiwillige, Zeitzeug*innen sowie weitere interessierte Menschen auf so engem Raum versammelt zu erleben. Die Stimmung war neugierig und zugewandt. Raum für persönlichen Austausch und wertvolle Vernetzung gab es an vielen Stellen. Die eindrücklichste ist in meiner Erinnerung der Empfang beim deutschen Botschafter, der am 22. Juni, dem Tag des Überfalls der Deutschen auf die Sowjetunion, stattfand. Nach zwei bewegenden Ansprachen, die den Raum mit einer andächtigen und gleichzeitig feierlichen Stimmung erfüllten, erlebte ich den restlichen Abend als sehr ungezwungen und fröhlich – was in Anbetracht des äußerst schicken Ambientes und des geschichtsträchtigen Datums wohl keine Selbstverständlichkeit war. Es ist gerade diese Ungezwungenheit, diese echte Anteilnahme und gleichzeitige Freude am Miteinander im Hier und Jetzt, der klare Blick für die Möglichkeiten, die in einem solchen Miteinander liegen, die mir immer wieder in ASF-Kreisen auffällt, und die mich wohl stets aufs Neue Veranstaltungen dieser Art aufsuchen lassen wird.

Von: Berit Hannappel, Jahrgang 1988, sie war 2014/2015 Freiwillige in Minsk. Heute arbeitet sie als Betreuerin von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in Freiburg.

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