Rozette Kats wurde als knapp neun Monate altes Baby zur Zeit der deutschen Besatzung in den Niederlanden, 1943, von ihren Eltern bei einem nichtjüdischen Paar in Sicherheit gebracht. Diese wurden ihre Pflegeeltern und zogen sie auf. Ihre leiblichen Eltern wurden von den Nazis ermordet. Was dies für sie und ihr Leben bedeutet hat, darüber hat Lena-Marie Vahl in Amsterdam mit ihr gesprochen.
Lena-Marie Vahl: Frau Kats, am Abend vor Ihrem sechsten Geburtstag erfuhren Sie, dass Sie nicht das Kind der Eltern sind, von denen Sie bis dahin annahmen, dass sie Ihre Eltern seien. Erinnern Sie sich: Was hat Ihnen Ihre Pflegemutter an diesem Abend gesagt?
Rozette Kats: Es war mein Vater, mein Pflegevater. Er hat wenig gesagt, aber woran ich mich erinnere: Morgen wirst Du Geburtstag haben und dann wirst Du sechs sein und in die Grundschule gehen. Und darum muss ich Dir etwas erzählen: Ich bin nicht dein Papa und eigentlich ist Mami auch nicht Deine Mutter und Du heißt auch eigentlich nicht Rita van der Weg – so wie ich das dachte. Und ich fragte natürlich: Wieso, was bedeutet das?! Also hat er mir erzählt, es hat Krieg gegeben, es war eine schreckliche, fürchterliche Zeit, in der Menschen andere Menschen gejagt haben, jüdische Menschen. Und meine Eltern waren Juden, und weil sie nicht gewollt haben, dass mir etwas Schlimmes passieren könnte, haben sie mich bei ihnen, den Pflegeeltern, in Sicherheit gebracht. Und das war auch gut, denn kurz danach sind sie gefangen worden und jetzt leben sie nicht mehr. „Aber Du brauchst absolut keinen Zweifel dran zu haben: Du wirst immer bei uns bleiben, du brauchst keine Angst zu haben, und morgen werden wir Deinen Geburtstag feiern. Eigentlich heißt Du Rozette Kats, aber wir werden Dich immer Rita nennen. Und jetzt reden wir nicht mehr darüber“. Ich habe dann nichts mehr gefragt, denn ich verstand das überhaupt nicht. Aber ich habe gedacht, in meinem sechsjährigen Denken: Wenn deine Eltern etwas sind, dann bist du das auch. Und wenn man totgeht, weil man Jude ist – was jüdisch ist, weiß ich nicht – aber das ist etwas, wovon man sterben kann. Also, er kann sagen: Du brauchst keine Angst zu haben, Du wirst immer bei uns bleiben, aber wenn ich nicht lieb bin und nicht immer mein Bestes tue und nicht immer gehorsam bin, vielleicht darf ich dann doch nicht bleiben. Das habe ich gedacht, daran erinnere mich ich am stärksten. Und so fing es in dem Moment an, dass ich zu einer anderen Person wurde.
Und das hat Sie dann ein Leben lang begleitet?
Ja. Ich wurde ängstlich, ängstlich bezogen darauf, was ich gesagt und gedacht habe, aber noch mehr hatte ich Angst, dass andere meine Angst spüren würden. Das versuchte ich wegzuhalten. Und das ist mir sehr, sehr gut gelungen. Niemand hat gesehen oder gedacht, dass ich ein ängstliches Kind war, weil ich so lieb war und so heiter und immer mein Bestes tat. Ich wurde eine große Schauspielerin.
Wie kam es dazu, dass Sie zu diesen Pflegeeltern kamen, kannten Ihre Eltern sie?
Nein, das waren Unbekannte. Meine Pflegeeltern waren natürlich keine Juden, und sie waren einfache Menschen. Mein Pflegevater arbeitete als Einkäufer für eine ganz große Motorenfabrik, das war eine kriegsrelevante Fabrik für Schiffs- und LKW-Motoren, die wurde sofort nach der Besetzung von den Deutschen übernommen und mein Pflegevater hat dort zusammen mit dem Lagerführer Sabotage begangen, also Widerstand geleistet, indem er Materialen falsch deklariert hat. Aber für meine Pflegeeltern war sicher wichtig, dass sie zweimal hintereinander, 1939 und 1941 einen Sohn bekommen haben und beide Male ist das Kind sehr kurz nach der Geburt gestorben. Sie hatten also alles, um ein Kind zu versorgen, nur kein Kind. Und sie hatten „ein Loch im Herzen“. In der Fabrik arbeitete auch ein aktiver Widerstandskämpfer, der meinen Vater kannte und dachte: Er hat Mut, er kann ein jüdisches Kind aufnehmen. Das hat er meinem Pflegevater vorgeschlagen. Und so bin ich dahin gekommen. Und dann kam noch hinzu: Meine Mutter war eines von sechs Kindern. Der Zweitälteste, Walter Jacob Eliasar, war in einer Gruppe jüdischer Widerstandskämpfer, das ist belegt, und er hat, nachdem er uns schon vorher viel geholfen hatte, offenbar die Verbindung zu meinen Pflegeeltern hergestellt. Mein Vater ist zuvor dahin gegangen, das war die gleiche Nachbarschaft in Amsterdam-West, und er hat ein Bild von mir mitgenommen. Da hat mein Pflegevater gesagt: Na, natürlich nehmen wir sie, das brauchst Du doch nicht … So gut war er.
Aber es erfordert ja unglaublich viel Mut, in der Situation ein Kind aufzunehmen …
Ja, so ist es – so tapfer waren diese Menschen! Ich bin dann also dorthin gebracht worden und sie haben ein mündliches Übereinkommen gemacht, mit den Nachbarn, die über uns gewohnt haben als Zeugen. Und die haben dann später erklären können, dass meine Eltern auf die Frage meiner Untertaucheltern geantwortet haben, sie wollten, wenn sie nicht zurückkehren würden, dass meine Untertaucheltern mich aufziehen sollten, als wäre ich ihr eigenes Kind. Und weil es dieses Zeugnis gab, konnte ich auch immer bei ihnen bleiben und so wurden sie offiziell zu Pflegeeltern. Kurz nachdem meine Eltern mich weggegeben haben, sind sie verraten und deportiert worden über das Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden. Dort hat meine Mutter einen Sohn geboren, ich hatte einen Bruder. Er hatte eine Entzündung an seinem Daumen. Die Zeit, die es brauchte, um heil zu werden, durften seine Eltern mit ihm zusammen im Krankenhaus sein. Und als das Kind wieder gesund war, wurde er zusammen mit seinen Eltern deportiert nach Auschwitz und dort sofort ermordet. Er war drei Monate alt minus einen Tag.
Hatten Sie denn, bevor Sie erfahren haben, dass Sie das Kind von Pflegeeltern sind, schon einmal das Gefühl, dass etwas nicht stimmen könnte?
Nein, gar nicht! Ich habe schöne Bilder, wo ich als Kind zu sehen bin, da sieht man, wie heiter ich bin, und wie gut ich versorgt wurde. Ich war noch nicht einmal neun Monate alt, als ich zu ihnen kam, ich habe keine Erinnerung an meine leiblichen Eltern. Sie, die Pflegeeltern, Hendrik und Wilhelmina van der Weg, waren waren mein Papi und Mami, und das sind sie geblieben. Bei allem was falsch lief, sie haben mich mit Liebe aufgezogen. In unserer Straße wusste man das, dass ich eigentlich nicht Rita bin. Nicht alle natürlich, die nächsten nebenan und oben. Und zu den anderen, die plötzlich einen Kinderwagen sahen, obwohl sie die Schwangerschaft nicht gesehen haben, hat meine Pflegemutter gesagt: „Das ist das Kind meiner Schwester aus Rotterdam. Sie ist ausgebombt worden“. Viele Helfer haben damals dieses Argument benutzt.
Wann ist Ihnen denn bewusst geworden, wie mutig ihre Pflegeeltern eigentlich waren, Sie während des Krieges großzuziehen, mit dem Wissen der Nachbarn? Wann kam die Wertschätzung dafür?
Nach meinem 50. Geburtstag! Denn erst da bin ich in meine eigene Identität gekommen. So lange hat das gedauert!
Wie haben Sie ihre Pflegeeltern vorher wahrgenommen und was hat sich danach geändert?
Erstens habe ich es nicht gewagt, meine Pubertät auszuleben. Das habe ich nicht gewagt, das habe ich verdrängt. So wie ich alles, was mit Krieg, mit Juden, mit Tod, mit Mord zu tun hatte, verdrängt habe. Dazu hatte ich einen gedachten Eimer in meinem Bauch – alles, womit ich nicht umgehen konnte, habe ich da reingesteckt.
Das heißt, Sie haben sich auch, bis Sie 50 waren, nicht als Jüdin identifiziert?
Nein! – Nein.
Und später?
Nur eines der sechs Geschwister, zu denen meine Mutter gehörte, der Älteste, hat den Holocaust überlebt. Dieser Onkel war mein Vormund geworden und ich besuchte ihn jedes Jahr. Das war sehr schön. Zuvor hatte ich nicht gewagt, meinem Pflegevater Fragen zu stellen. Aber bei meinem Onkel, da habe ich es in diesem Alter, 12, 13 und später immer wieder versucht. Nur hatte er immer Ausflüchte, wenn ich fragte, ich habe keine Antworten bekommen. Und weil ich immer die innerlich ängstliche, sich extrem anpassende „brave Rita“ war, habe ich auch nicht weitergefragt. Als er 84 war und ich 42, bekam er Krebs und ich dachte: Jetzt muss ich noch einmal hinfahren, um meine Fragen zu stellen, sonst geht es nicht mehr. Das habe ich getan, und wieder hat er nicht geantwortet. Aber er holt aus einem verschlossenen Schrank eine altmodische Ledertasche heraus, mit einem Schlüssel öffnet er die Tasche, setzt sie auf den Boden, ich darf die nicht anfassen, und ich sehe viele Papiere, Mappen, und ein Album. Und das holt er raus, ein sehr altmodisches, so eines, wo in Goldprägung in einem kleinen Karree „Familienalbum“ steht, aber da war ein Papier draufgeklebt, da stand drauf „Prähistorie“, und das hab ich gesehen und sonst nichts. Er blättert und nimmt eine Schere, schneidet aus dem Album ein Stück Papier mit einem Bild darauf und gibt es mir und schließt die Tasche wieder weg in den Schrank. Ich betrachte das Hochzeitsbild meiner Eltern lange, es ist das erste Mal, dass ich es sehe, und ich denke: Ok, ich weiß jetzt, dass es diese Tasche gibt und ich kann jetzt noch warten. Ein halbes Jahr später ist er gestorben, aber ich habe mich nicht getraut, sofort meine Tante zu fragen. Das hat noch ein paar Jahre gedauert.
War das schwer, so lange zu warten, bis Sie an die Tasche kommen konnten?
Das war sehr schwer. Als meine Tante dann in ein Altersheim zog, habe ich gedacht, jetzt kann ich sie fragen. Von ihr habe ich viele Dinge zum ersten Mal gehört. Und dann fragte ich sie, darf ich die Tasche jetzt sehen. Da sagte sie: Welche Tasche? Und es stellte sich heraus, dass sie die Tasche nicht mitgenommen hat, weil sie immer in dem Schrank verschlossen gewesen war und weil niemand sich je darum gekümmert hat. Dann bin ich krank geworden. Da ist mein Eimer, den ich noch immer in mir trug, der ist dann übergelaufen. Das war der letzte Tropfen … . Hinterher war ich sehr dankbar, dass das passiert ist, denn jetzt, endlich, hab ich gewagt, mich in Therapie zu begeben. Zum Beispiel, ich war ein intelligentes Kind, ich war auf dem Gymnasium, aber ich konnte nicht in der Bibliothek oder dem Archiv etwas über Geschichte suchen, über Juden, über den Krieg, oder meine eigene Geschichte, das konnte ich nicht … . Verstehst Du, man hat das nie anerkannt, aber in all diesen Jahren habe ich nur „ja“ gesagt. Ich wagte nicht „nein“ zu sagen oder böse zu werden, das wagte ich nicht zu fühlen. Das ist krank.
Was hat sich denn geändert, als Sie sich in Therapie begeben haben?
Alles hat sich geändert. Es hat mir gebracht, dass ich verstehen konnte, wieso alles in meinem Leben gescheitert ist, denn das war es, was passierte. Wenn man nicht weiß, wer man ist, wie kann man dann je eine gute Entscheidung treffen? Man sagt nur ja. Also geht alles falsch.
Gab es so etwas wie einen Wendepunkt?
Es gab 1992 eine große Konferenz für ehemalige untergetauchte Kinder in den Niederlanden, da kamen 650 Leute zusammen, drei Tage lang. Das war das erste Mal, dass ich bewusst jüdischen Menschen begegnete. Wir tauschten unsere Familiengeschichten aus, soweit wir das konnten, und unsere persönlichen Geschichten. Sie waren alle hochinteressante Leute, aber alle teilten sie etwas Gemeinsames. Und das war, dass alles scheiterte in ihrem Leben. Freundschaften, Ehen, Jobs, Unternehmen. Nichts konnten wir behalten. Denn alle hatten wir das gleiche erlebt: Wir durften damals nicht sein, wer wir eigentlich waren. Wir mussten eine andere Identität annehmen. Denn unsere jüdische Identität war nicht erwünscht in der Welt. Für alle war das entscheidend. Einschneidend. Und dann haben wir verstanden: Wir sind nicht Schuld daran! Auch ich. Das hat so vieles geändert! Und darum sage ich oft: Erst dann bin ich wirklich aus meinem „Versteck“ gekommen. Da habe ich meine eigene Identität finden können und einnehmen dürfen, das endlich gewagt!
Was hat das mit Ihrem Gefühl gegenüber den Pflegeeltern gemacht?
Als ich Ich geworden war, das hat mein Gefühl auch mild gemacht, und ich habe ihnen im Alter viel Hilfe leisten, viel zurückgeben können. Als meine Pflegemutter auf ihrem Totenbett lag, habe ich eine Woche bei ihr gewacht, auf dem Fußboden geschlafen, ich habe ihr versprochen, ich bleib bei ihr. Und in dieser Woche hat sie, ohne dass ich das fragte, so aus sich selbst, mich Rozette genannt. Ohne sich zu versprechen. Und so sah ich, wie sich ein Kreis schloss … ich sah vor mir, endlich bin ich so, wie meine leiblichen Eltern mich gemeint haben, Rozette, jetzt bin ich heile. Das habe ich gedacht. Und das war eine so tolle Erfahrung in dem schrecklichen Moment. Das hat sie getan!
Und Sie haben mit ihren Pflegeeltern zeit Ihres Lebens nicht über ihre Geschichte geredet?
Ich habe im fortgeschrittenen Erwachsenenalter versucht, darüber zu reden. Aber sie wussten nichts. Meine Pflegemutter hat nicht mal meinen Familiennamen gekannt während des Krieges.
Ich sehe, dass Sie eine Kette tragen und eine Uhr …Erzählen Sie doch bitte, was es damit auf sich hat.
Als ich 18 wurde, übergab meine Pflegemutter mir eine kleine Holzdose, und darin waren zwei goldene, flache Ringe und eine alte Uhr, eine billige Damenuhr, nichts Kostbares. Das Glas ist kaputt, es sieht aus, als hätte jemand draufgetreten, und ich sage: „Was soll ich damit?“. Sie antwortet, du bist jetzt 18. Während des Krieges ist ein Mann aus Westerbork zu uns gekommen und er sagte, dass er dort deine Eltern getroffen hat und dass sie das für dich mitgegeben haben. Und wenn sie nicht zurückkommen würden, dann müssen wir das bewahren für dich und dir geben, wenn du 18 bist. Und ich fragte: „Warum?“ „Ja, weil das deine Eltern sind!“ „Ihr seid meine Eltern, ich habe keine anderen Eltern, und die Uhr, die ist kaputt. … Und Ringe? Wenn ich mal einen Mann heirate, dann werden wir doch unsere eigenen Ringe aussuchen. „ „Ja“, sagt sie, „aber bitte“. Ich habe mir dann von einem Juwelier aus dem einen der Ringe einen Davidstern machen lassen, den anderen hat er mir gegen eine Kette getauscht. Seitdem habe ich das getragen unter meinen Kleidern. Und die Uhr habe ich, als ich vor 25 Jahren anfing, meine Geschichte zu erzählen, soweit es möglich war, reparieren lassen, sie läuft nicht, aber das Glas … und ich hätte so gern die zwei Ringe wiedergehabt.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Ihren leiblichen Eltern, auch wenn Sie sie nie gekannt haben, im Laufe der Zeit verändert? Können Sie Menschen, die Sie überhaupt nicht kennen, jetzt lieben oder vermissen, oder wie fühlt sich das an?
Das ist eine ganz tolle Frage. Ich lebe jetzt mit ihnen, nachdem ich sie in meiner Jugend immer weggeschoben habe. Ich wollte nicht an sie denken, ich konnte nicht an sie denken, obwohl ich immer, wenn ich zufällig ein Buch mit Bildern aus der Kriegszeit sah, immer auf der Suche war nach „bekannten“ Gesichtern. Das war eine so irre Widersprüchlichkeit, das konnte ich damals nicht verstehen. Das war die erste Phase. Und dann kam die Zeit in meinem zweiten Lebensjahrzehnt, dass ich dachte, wieso haben die mich nicht mitgenommen? Es wäre doch viel besser, wenn ich auch tot wäre, zusammen mit ihnen. Das habe ich ihnen übelgenommen: Warum haben die ihr Kind weggegeben, warum haben die mich nicht so geliebt, dass sie mich bei sich haben wollten? Dann war ich in Therapie, habe mich innerlich geändert und dann verstehen können, dass es die äußerste Tat von Liebe ist, ein Kind wegzugeben, um es zu retten. Später habe ich zusammen mit meinem jüngeren Bruder – den meine Pflegemutter 1947 geboren hat – organisiert, dass meine Pflegeeltern die Ehrung als „Gerechte unter den Völkern“ von Yad Vashem erhalten. Und dann haben wir zusammen eine große Feier gemacht, um die beiden Elternpaare zu ehren. Das war eine wunderschöne Veranstaltung. Wir haben Kerzen angezündet für die zwei Väter und die zwei Mütter und die beiden Ehepaare symbolisch verbunden mit Bändern! Das war ungefähr der schönste Tag meines Lebens, im September 2014.
Das heißt, seitdem fühlt sich auch die Vergangenheit vollständig an?
Ich bin heile gemacht, soweit das möglich ist, aber in mir ist es jetzt gut. Alles hat seinen Platz gefunden. Ich arbeite, vorher unter anderem im Vorstand der Stiftung Sobibor, jetzt noch als Gastsprecherin, und ich mache diese Arbeit sehr gerne, damit ich etwas tue, was mein Leben sinnvoll macht, denn dann bin ich nicht umsonst im Leben geblieben. Und ich nenne immer ihre Namen … .
Rozette Kats wurde am 25. Mai 1942 in Amsterdam geboren. Ihre jüdischen Eltern und der drei Monate alte Bruder wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet, so wie fast die ganze große Familie – diese überwiegend in Sobibor. Gerade noch rechtzeitig, da war Rozette neun Monate alt, gelingt es ihren Eltern, ihr kleines Mädchen bei nichtjüdischen Pflegeeltern in Sicherheit zu bringen, die sie dann großziehen. Nach dem Gymnasium arbeitet sie als Sekretärin in verschiedenen Büros sowie als ausgebildete Pflegerin in Einrichtungen für alte Leute. Schließlich arbeitet sie an der Universität von Amsterdam. Hinzu kommt ehrenamtliche Arbeit in Vereinen, unter anderem für ehemalige untergetauchte jüdische Kinder und im Vorstand der Stiftung Sobibor. Seit mehr als 25 Jahren ist sie als Zeitzeugin in Schulen und für andere Gruppen tätig. Dort spricht sie über ihre Erlebnisse und die Geschichte ihrer Familie. Sie lebt in Amsterdam, ist Mutter eines Sohnes und einer Tochter sowie Großmutter zweier Enkel.
Lena-Marie Vahl machte 2018 bis 2019 ein Freiwilligenjahr mit ASF in Israel; sie arbeitete dort bei AMCHA und Kivunim und betreute Holocaust- Überlebende. Jetzt studiert sie Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin.