Diese Erfahrung machte Berit Hannappel in Belarus.
Zwei Monate, seit ich Minsk verließ und in meine alte vertraute Freiburg-Welt eintauchte. Ich brauchte nur kurz, um wieder da zu sein. Kleinigkeiten, wie das Überqueren von roten Ampeln, oder Fremde bei Waldspaziergängen grüßen, waren für ein paar Tage bemerkenswert, bevor sie alltäglich wurden. Ich spürte, dass ich mich zu schnell und zu unbeteiligt wieder eingewöhnte. Gleichzeitig verlor ich mit jeder Woche in Freiburg den Bezug zu dem Land, in dem ich das letzte Jahr verbracht hatte.
Was war geschehen? Ist das Lebensgefühl, das ich in Belarus empfand, so verschieden von dem in Deutschland? Ja. Tatsächlich habe ich niemals zuvor eine Kultur und einen Alltag kennengelernt, die sich so von meiner unterschieden hätte. Angefangen beim Stadtbild: Die heroischen Denkmäler, die dem „Großen Vaterländischen Krieg“ huldigen, waren mir befremdlich. Oder beim Bezahlen im Supermarkt, wenn ich mit 200.000- Rubel-Scheinen hantierte und dabei den gereizten Blicken der Kassiererin ausgeliefert war. Oder wie ich mit den Mentalitäten gerungen habe, mit meiner eigenen, mit der belarussischen und der postsowjetischen.
Auch wenn ich vieles nicht verstand, so erlebte ich mich als sehr wach in meinem Blick. Und inmitten dieses Betrachtens überraschten mich wundervolle Menschen, die mir plötzlich begegneten. Es offenbarten sich mir unerwartete Dynamiken und lebendige, kreative Nischen in diesem nur scheinbar stillstehenden Minsk.
Vielleicht weil ich keine Erwartungen hatte an die vertraut gewordene Fremde, was wiederum richtiges Staunen und Berührt- sein ermöglichte. Vielleicht konnte ich nur so, aus der Distanz heraus, die wirkliche Nähe spüren und die emotionale Verbindung zu dem Land, seinen Menschen und zu dem, was ich dort erlebt habe.
Von: Berit Hannappel, Jahrgang 1988, Freiwillige von 2014-2015 in Belarus. Dort arbeitete sie mit Menschen mit Behinderung. Heute betreut sie unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Freiburg.