Bernhard Fricke, Vorsitzender von Asyl in der Kirche Berlin, fordert eine "kirchliche Willkommenskultur" für Flüchtlinge. Asyl in der Kirche Berlin Projektpartner von ASF ist, d.h. ein_e Freiwillige_r engagiert sich dort im Rahmen eines Friedensdienstes.
Wenn Sie sich die aktuelle Debatte um das Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf anschauen, was läuft falsch?
Bernhard Fricke: Stellen Sie sich vor, Sie fliehen aus Syrien, aus Somalia, vor Krieg und Folter, sie schaffen es nach vielen Umwegen und auf verschlungenen Pfaden nach Deutschland. Und dann kommen Sie in das neue Heim in Berlin-Hellersdorf. Demonstrationen, Polizei, Trillerpfeifen und Lautsprecher machen Angst: Sie wissen sich hier nicht willkommen. Oder Sie kommen gleich in ein Abschiebegefängnis oder in ein Flüchtlingsheim mitten auf dem Land - umzäunt, ohne Kontakt zur Bevölkerung und ohne Möglichkeiten etwas zu tun.
Das ist aber nicht überall so.
Aus der Erfahrung meiner Arbeit mit Flüchtlingen weiß ich: So wie sie aufgenommen werden, so fühlen sie sich auch. Die einen Flüchtlinge sind dankbar, weil sie hier Schutz, Recht und Sicherheit gefunden haben, sie fühlen sich willkommen. Andere fühlen sich weiter verfolgt, drangsaliert und schikaniert. So ein Asylprozess ist eine schmerzhafte Angelegenheit, Angst und Verfolgung treffen auf Bürokratie und Amtszimmer, dann noch Zäune, Wachpersonal und Argwohn.
Was muss sich ändern?
Da kann man viel machen. Heute müssen Flüchtlinge in dem europäischen Land bleiben, in dem sie angekommen sind. Das sind ganz häufig Spanien, Italien, Malta aber auch Polen. Das verstößt gegen das Menschenrecht der freien Wahl des Aufenthaltsortes. Flüchtlinge müssen selber entscheiden können, in welchem Land in Europa sie ihren Asylantrag stellen wollen. Das würde die Grenzländer entlasten und die Menschen könnten dahin, wo sie schon Verwandte haben, wo sie sich sicher fühlen. Auch innerhalb Deutschlands muss die Residenzpflicht aufgehoben und dadurch die Bewegungsfreiheit ermöglicht werden. Deutschland hat als reiches Land in Europa und aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung, Menschen in Not zu helfen.
Und ganz konkret bei uns vor der Haustür?
In Berlin-Hellersdorf erleben wir nicht nur Menschen, die gegen die Flüchtlinge protestieren, sondern viele solidarische Menschen, die helfen wollen, Sachen vorbeibringen und Kontakt suchen. Das passiert überall, gerade auch wo Kirchengemeinden aktiv sind. Das müssen wir stärken. Insbesondere in der Nachbarschaft sollte klar vermittelt werden, dass Flüchtlinge kommen, denn dann können sich alle darauf einstellen. Die Sorgen der Menschen können aufgefangen werden, sodass rechte Hetzer kein Gehör finden.
Sehen Sie eine neue, stärkere gesellschaftliche Ablehnung von Flüchtlingen?
Die Feindlichkeit ist immer schon da. Sie kocht jetzt wieder hoch mit den steigenden Zahlen von Asylsuchenden, mit der Debatte um Roma und mit neuen Heimen. Die Angst vor dem Fremden und die Menschen, die dies politisch ausnutzen, waren nie weg. Rassismus ist mal leiser und dann wieder lauter. Deutschland und Europa haben genug dafür getan, dass Flüchtlinge gar nicht erst zu uns kommen, sondern an den Grenzen aufgehalten werden. Ich erinnere an die tausend Menschen, die jährlich im Mittelmeer ertrinken. Wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken in Politik, Verwaltung und Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass Menschen seit mehr als zehn Jahren in Heimen leben, nicht arbeiten dürfen, nicht reisen dürfen, die nichts machen dürfen.
Wie geht es den Flüchtlingen damit?
Viele halten das nicht mehr aus. Doch die Flüchtlingsdemonstrationen und die Camps zeigen, dass sie sich das nicht mehr bieten lassen wollen. Wir müssen sie darin unterstützen. Ich fordere, dass Flüchtlinge als Partner beim Verhandeln von Problemen und bei der Suche nach Lösungen anerkannt und mit ins Boot geholt werden. Nur durch die Begegnung mit Menschen in Not kann man lernen eine menschliche Gesellschaft aufzubauen. Und dabei können Kirchengemeinden wirklich Vorreiter sein.