Arina und Hannah (v.l.). Foto: privat
»Ich denke nur über den Krieg nach, wenn ich nach Donezk fahre. Dort wird jeden Tag geschossen, jeden Tag ist Krieg. Wenn ich in Kiew bin, ist er weit weg. Auch mit meiner Familie rede ich nicht darüber, da geht es eher um Gesundheit und so.« Arina, 20
Mitten in Europa herrscht ein schon lange aus dem Bewusstsein der Köpfe gerückter Krieg. Jeden Tag werden an der umkämpften Konfrontationslinie im Osten der Ukraine Menschen getötet. Bevor ich mich aufgrund meines anstehenden Freiwilligendienstes mit der Politik und Geschichte der Ukraine auseinandergesetzt hatte, konnte ich mich zwar noch an die Maidan-Revolution 2013/14 erinnern, doch ich musste feststellen, dass mir nicht bewusst war, welches Ausmaß dieser Krieg hat.
Ich habe mich mit der zwanzigjährigen Arina unterhalten, die 2015 aus Donezk nach Kiew gekommen ist, um Internationale Beziehungen und Kommunikation zu studieren. Es ist mir unvorstellbar, dass Arina, die mir im Café gegenübersitzt, noch über ein Jahr nach Kriegsausbruch in Donezk gelebt hat. Und Angst, Unklarheit, Depression für sie zur Normalität geworden waren. Genauso wie tägliche Luftangriffe auf ihre Heimatstadt. Hier in Kiew hingegen scheint der Krieg weit weg zu sein.
Mich berührt, wenn Arina betont, dass Weltfrieden für sie eine Illusion sei und ihr auch der Frieden in der Ukraine wie ein Märchen erscheint. Bestenfalls sieht sie die Ukraine in den nächsten zehn Jahren in einem Waffenstillstand mit Russland, doch die Ursprünge des festgefahrenen Konflikts erscheinen ihr unüberwindbar. Dieser Pessimismus oder auch Realismus hat meinen Optimismus erschüttert. Dabei leiste ich meinen Dienst mit Aktion Sühnezeichen, weil ich denke, dass jeder Schritt oder auch nur der Versuch eines Schrittes in Richtung Frieden, Verständigung und Toleranz wichtig ist. Doch genauso gut verstehe ich Arina, wenn sie von der Märchenwelt Frieden spricht.
Krieg und Frieden, das sind Begriffe, die nur schwer greifbar sind. Ich grüble lange, was meine persönliche Definition von Frieden ist. Umso schneller antwortet mir Arina auf diese Frage. »Wenn Menschen etwas planen können, wenn sie darüber nachdenken können, ob sie umziehen wollen, ein Kind haben oder heiraten wollen. Wenn Krieg ist, kann man nur an morgen denken, und manchmal nicht einmal das.«
Hannah Danninger, geb. 1998, absolviert gerade ihren Freiwilligendienst mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Kiew in der Ukraine.
Der Freiwilligendienst von Hannah Danninger wird gefördert durch das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben im Rahmen des Internationalen Jugendfreiwilligendienstes (IJFD), die Stiftung »Erinnerung Verantwortung Zukunft« (EVZ) und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern.