Antifeminismus als Demokratiegefährdung?! Gleichstellung in Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus

Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit als Herausforderungen für die Gleichstellungsarbeit

In Deutschland erstarkt und formiert sich seit einigen Jahren eine Neue Rechte, die sich unterschiedlichen ideologischen Strömungen – vor allem Antiliberalismus und Antimodernismus, Rechtskonservativismus und Rassismus, völkischem Nationalismus, Antisemitismus und in Teilen auch Rechtsextremismus – zuordnen lassen. Vertreter*innen rechtspopulistischer bis extrem rechter Bewegungen können dabei auf teils prominente Stichwortgeber*innen aus der Wissenschaft, aus unterschiedlichen Parteien sowie aus Funk und Fernsehen zurückgreifen. Eingebettet ist diese Formation in eine gegenwärtige gesellschaftliche Stimmung, die eine Normalisierung von Rassismus und Antifeminismus befördert. Dazu gehören zahlreiche Anschläge auf Geflüchtete und deren Unterkünfte, auf Moscheegemeinden und ehrenamtliche wie professionelle Unterstützer*innen sowie Einschüchterungen und Gewalt gegen Feminist*innen, Minderheiten, politische Gegner*innen auf der Straße oder im Netz, gegen Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker* innen.

Im Zuge der Ausweitung und Ausdifferenzierung rechtspopulistischer und extrem rechter Bewegungen differenzieren sich auch Akteur*innen und ihre jeweiligen (geschlechter-)politischen Positionen aus. Gemein ist ihnen, dass die Kategorie Geschlecht innerhalb dieser Lebenswelten eine signifikante Rolle spielt. Dabei gilt eine Orientierung an traditionellen Geschlechterrollen, -eigenschaften und -fähigkeiten; soziale Positionen werden qua Geschlecht zugeordnet. Rechtspopulistische und extrem rechte Bewegungen verfolgen also ein differenztheoretisches beziehungsweise biologistisches Modell. Davon abweichende Lebensweisen und Identitäten werden als unnatürlich diffamiert und bekämpft. Ein ganz wesentliches Fragment der Ideologien rechter Bewegungen ist folglich der Antifeminismus.

Ein erstarkender Rechtspopulismus bedeutet auch ein Erstarken des Antifeminismus

Der Kampf um die Gleichstellung der Frau ging immer auch mit Gegendiskursen und Gegenbewegungen einher, so auch heute: Seine Gegner*innen machen den Feminismus für persönliche Probleme (zum Beispiel Ehescheidungen) sowie für wirtschaftliche und soziale Probleme von Frauen und der Gesellschaft insgesamt verantwortlich. Antifeminismus richtet sich gegen Feminismen und ihre jeweiligen politischen Ziele. Er kann also gegen Feminismus als kollektive Bewegung – mit zum Teil fundamentalen Ideen für gesellschaftliche Veränderungen – gerichtet sein und ebenso gegen die konkrete gesetzlich verankerte kommunale Frauen- und Gleichstellungsarbeit. Zu den Hauptbestandteilen gegenwärtiger antifeministischer und rechtspopulistischer Politiken zählt die Bekämpfung der Geschlechtergerechtigkeit, des Feminismus und der vielfältigen Lebensentwürfe von Frauen und Familien. Ebenso gehört dazu die Bekämpfung von Frauen- und Geschlechterforschung und die Ablehnung der Gleichberechtigung von Homosexuellen und Trans*. Kennzeichnend ist außerdem die permanente Diffamierung der Emanzipation gesellschaftlicher Gruppen als übertriebene Political Correctness.

Antifeministische Ressentiments werden derzeit vor allem entlang von Rassismus und Islamfeindlichkeit und im Kontext der Bewahrung vermeintlich traditioneller, konservativer oder christlicher Werte geschürt. Sie finden hohe Resonanz und Anschlussfähigkeit in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Signalwörter und Diskursstränge können eine Brückenfunktion zwischen extrem rechten Bewegungen und dem Mainstream einnehmen. Dann werden beispielsweise feministische kinderlose Frauen als »verbitterte Karrierefrauen« verächtlich und für den Geburtenrückgang verantwortlich gemacht; der »Gender-Wahn« und die rassistische Figur des »übergriffigen Fremden« werden konstruiert; Gewalt an Frauen wird als allein durch eingewanderte junge Männer verursacht dargestellt, woran wiederum die Feminist*innen schuld seien, da sie Migration befürworten.

Hinzu kommen Diskussionen um das Thema Gender. Der »Antigenderismus« des Rechtspopulismus tritt hier als eine Spielart des Antifeminismus zutage. Der Frauen- und Geschlechterforschung beziehungsweise den Gender Studies spricht er ihre Wissenschaftlichkeit ab; zudem zieht er massiv gegen die liberale Idee einer Geschlechtervielfalt zu Felde. Schließlich wendet er sich unter dem Kampfbegriff der »Frühsexualisierung« gegen eine plurale Sexualerziehung.

Im Rechtspopulismus finden sich durchaus auch heterogene Auffassungen, was die Rolle von Frauen, das Ziel ihrer gesellschaftlichen Aufwertung oder gar die Frage des Feminismus – beziehungsweise dessen, was darunter verstanden wird – betrifft. Sie changieren zwischen zwei Polen. Einerseits ist der Feminismus ein massives Feindbild; er sei schuld an Migration und damit an einer angeblichen »Überfremdung«. Andererseits wird eine nationalistische Frauenrolle proklamiert: Mit biologistischen und ultrakonservativen Argumentationen werden Mutterschaft und vermeintlich typisch weibliche Eigenschaften aufgewertet. Rechtskonservative bis extrem rechte Frauen werden als »wahre Feministinnen« inszeniert, die – im Gegensatz zu »Fake-Feministinnen« – »deutsche Frauen« vor sexualisierter Gewalt durch »Fremde« schützten. Vor allem letztere Argumentation hat gegenwärtig Konjunktur und verfügt über ein enormes Mobilisierungspotential bis weit in konservative und bürgerliche Kreise der Gesellschaft hinein.

Frauen selbst spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, antifeministische Ziele und geschlechterpolitische Themen zu transportieren. Sie geben antifeministischen oder sexistischen Argumentationen Gewicht – nach dem Motto: »Wenn sogar eine Frau das sagt, ...«. Außerdem geben sie extrem rechten Bewegungen ein weibliches, vermeintlich friedfertiges Gesicht und machen sie damit anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte. Geschlechterpolitische Fragestellungen und sogenannte Frauenthemen werden in (neu)rechten Bewegungen – auch von weiblichen Vertreter*innen – ambivalent verhandelt. Die propagierten Geschlechterbilder und die zugrunde liegenden sexistischen Ideologien einerseits, die Vereinnahmung feministischer Anliegen sowie die aktive politische Rolle von Frauen innerhalb der Bewegung andererseits führen zu einer widersprüchlichen Gemengelage.

Antifeminismus als Demokratiegefährdung ernstnehmen

Frauenfeindlichkeit, Misogynie, Frauenhass oder Sexismus nehmen sehr unterschiedliche Gestalten und Formen an, und sie sind sehr viel älter als der Antifeminismus. Frauenfeindlichkeit kann aber als Mittel eingesetzt werden, um Antifeminismus durchzusetzen. Vor allem dann, wenn sie als Feministinnen das Wort ergreifen, werden Frauen massiv eingeschüchtert und sollen so zum Schweigen gebracht werden. In welch erschreckendem Ausmaß und mit welcher Heftigkeit Gewalt, Vergewaltigungen oder sexualisierter Mord angedroht werden, können vor allem frauenbewegte Politiker*innen und Netzfeminist* innen berichten. Es lässt sich fragen,ob Hetze und Diffamierungen in sozialen Medien und in den Kommentarspalten der Zeitungen sowie sexistische Äußerungen mächtiger Politiker, wie beispielsweise Donald Trump, als Ausdruck einer Normalisierung von Sexismus und Antifeminismus verstanden werden müssen. Andererseits lässt sich gegenwärtig aber auch ein Anstieg feministischer Aktivitäten und Erfolge ausmachen. Dazu gehören sowohl der Aufstieg eines populären Feminismus, der durch prominente Schauspieler*innen vertreten wird, als auch Debatten und Konsequenzen aus #MeToo, #Aufschrei oder #TimesUp.

Nicht jede Kritik an Feminismus und feministischen Zielen ist antifeministisch; Feminismus ist dynamisch und befindet sich in einem Prozess ständiger Veränderung. Der Kampf für Frauenrechte und gegen Sexismus verbindet sich jedoch seit jeher mit dem Kampf für Menschenrechte und gegen weitere Formen der Diskriminierung und Hierarchisierung wie Rassismus, Kapitalismus, Nationalismus, Kolonialismus oder Heterosexismus. Dieses ideelle Verständnis von Feminismus ist mit antiliberalen, antimodernen und rassistischen Vorstellungen extrem rechter Bewegungen und Politiken nicht vereinbar. Der Anstieg und die Verschärfung einer antifeministischen und frauenverachtenden gesellschaftlichen Stimmung, Gegendiskurse zur Gleichstellung von Mann und Frau sowie genderbezogene Aggressionen müssen im Blick behalten werden und als das bezeichnet und bekämpft werden, was sie sind: antidemokratisch.

Judith Rahner hat Gender Studies, Musik und Erziehungswissenschaften studiert und ist bei der Amadeu Antonio Stiftung für Rechtsextremismusprävention zuständig. Sie leitet im Rahmen des Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention den Projektbereich zur Stärkung der bundesweiten Zivilgesellschaft und ist Leiterin der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus, die mit einem Fokus auf Gender-Bildungsarbeit, Politik und Medien im Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit berät und schult.

  • Gefördert vom:
  • im Rahmen des Bundesprogramm
  •  
  •