Die meisten Lesben und Schwulen in der DDR haben ihre Homosexualität verschwiegen. Erst ab Mitte der 1970er Jahre gab es erste Versuche, die Isolation zu durchbrechen.
Obwohl noch vor der Gründung der DDR die Diskussion geführt wurde, Homosexualität völlig zu entkriminalisieren, blieb der Paragraph 151 bis 1987 bestehen, der homosexuelle Handlungen mit Personen unter 18 Jahren bestrafte. Das sogenannte Schutzalter für Heterosex lag hingegen bei 16 Jahren. Im Vergleich zur BRD wurde damit Homosexualität zwar weitaus stärker entkriminalisiert, aber das Stigma des Anormalen blieb erhalten.
Die Ausstrahlung des Films von Rosa von Praunheim »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt« in der ARD 1973 war auch in der DDR der Gründungsanlass für die erste schwullesbische Gruppe, die Homosexuelle Initiative Berlin (HIB). Hauptziel der Gruppe war es, Räume zu schaffen, in denen sich Schwule und Lesben außerhalb von privaten Räumen treffen konnten.
Charlotte von Mahlsdorf, eine stadtbekannte trans Person bot schließlich die Kellerräume in ihrem Gründerzeitmuseum in Berlin-Mahlsdorf an, in denen sich fortan an zwei Sonntagen im Monat getroffen wurde. Lesben waren in der HIB in der Minderheit und so organisierten 1978 zwei Lesben der HIB das erste Lesbentreffen, zu dem einhundert Lesben kamen. Jedoch mussten die Frauen auf eine Wohnung und zwei Gaststätten ausweichen, da am geplanten Tag Polizisten den Zugang zum Gründerzeitmuseum versperrten. Im Zuge dieses Verbots wurden auch die Sonntagstreffen im Gründerzeitmuseum untersagt. Schließlich löste sich die HIB 1979 auf, da es ihr nicht gelang, Räume von der Stadt zu bekommen. Einzelne kämpften weiter, doch erst 1986 gewährten die Behörden Räume im Kulturhaus Berlin-Mitte an jedem zweiten Sonntag. Daraus ging schließlich der Sonntagsclub hervor, der bis heute kulturelle Angebote und Beratung vor allem für transidente Personen anbietet.
Alle anderen schwul-lesbischen Gruppen der DDR trafen sich ab Anfang der 1980er Jahre unter dem Dach der Kirche.
Durch die sich verändernde Stellung der Kirche im politischen System der DDR erhielt sie Ende der 1970er Jahre einen eigenständigen rechtlichen und finanziellen Status und ideologischen Freiraum. Dadurch wurde die Kirche zum Oppositionszentrum der DDR.
In den folgenden Jahren hatte fast jede größere Stadt in der DDR einen kirchlichen Arbeitskreis »Homosexualität«. Diese Tatsache führte auch innerhalb der Kirche zu einer breiten Diskussion, inwieweit sich die Kirche für Homosexuelle und ihre Anliegen öffnen sollte. Es entfaltete sich eine Pro- und Contra-Debatte.(1)
Die erste Lesbengruppe in der DDR war der Berliner Arbeitskreis Lesben in der Kirche (LiK), der sich 1983 gründete. Der Arbeitskreis LiK verstand sich als Anlaufstelle für lesbische Frauen zum Kennenlernen und Diskutieren. Viele der Aktiven in den ab 1987 auch in anderen Städten entstehenden Lesbengruppen sahen ihr Lesbischsein nicht nur als eine sexuelle Variante, sondern begriffen ihre lesbische Identität auch als Widerstand gegen die patriarchale Gesellschaft. Der Arbeitskreis LiK beschäftigte sich auch mit dem Schicksal lesbischer Frauen im Nationalsozialismus und machte auf Lesben als vergessene Opfer des Nationalsozialismus aufmerksam. Zum Frauentag am 8. März 1984 legten sie in der Gedenkstätte Ravensbrück einen Kranz mit einer entsprechenden Aufschrift nieder und trugen sich in das Besucher*innenbuch ein. Wenige Tage später waren sowohl der Kranz als auch der Eintrag ins Buch entfernt worden. Dass die Lesben die Gedenkstätte mit dem Kranz überhaupt betreten konnten, zeugt von hoher Konspiration, da ihr Arbeitskreis LiK – wie alle kirchlichen Arbeitskreise – von der Stasi unterwandert war.
1985 gedachten 80 Lesben und Schwule der homosexuellen Opfer in der Gedenkstätte Sachsenhausen, ohne dass die Staatssicherheit eingriff.
Bis heute engagieren sich viele Lesben im Freund*innenkreis der Gedenkstätte Ravensbrück und noch immer fordern sie einen Gedenkstein für die lesbischen Opfer. Im Moment gibt es viele Beiträge und Diskussionen zur Wende, zur Vereinigung und dem Transformationsprozess. Das Engagement von Lesben und Schwulen als Teil der Oppositionsbewegung der DDR findet dabei keine Erwähnung, außer es wird von der Community selbst thematisiert. Schwul-lesbische Geschichte und ihre Protagonist*innen werden so einmal mehr marginalisiert.
Tatjana Volpert ist Diplom-Pädagogin und schrieb 1998 ihre Diplomarbeit zum Thema »Lesben in der DDR. Aspekte einer eigenständigen feministischen Emanzipationsarbeit«. Als politische Bildnerin arbeitet sie seit vielen Jahren zu den Themen Antisemitismus, Rassismus und Gendergerechtigkeit.
(1) Punge, Manfred (1984): Homosexuelle in der Kirche? In: Beiträge der Theologischen Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, Reihe B, Gesellschaftliche Diakonie, Nr. 12, Berlin (als Manuskript vervielfältigt).