Unsichtbar unter uns – Menschen in der Illegalität

Geschätzt leben zwischen 180.000 und 520.000 Menschen in Deutschland, die weder eine Aufenthaltserlaubnis, eine -gestattung oder Duldung haben. Sie machen sich damit strafbar und müssen ständig damit rechnen, entdeckt, festgenommen und abgeschoben zu werden. Ihre Lebensgeschichten sind vielfältig.

Maria kommt aus Ecuador und lebt schon lange regulär in Deutschland. Sie hat drei Kinder. Ihre jüngste Tochter, 19 Jahre alt, ist bislang bei der Großmutter im Heimatland aufgewachsen. Maria möchte sie gerne bei sich haben. Die Tochter kommt zu Besuch und bleibt, obwohl ihr Visum abgelaufen ist. Mutter und Tochter hoffen, einen Weg zur Legalisierung zu finden.

Ahmed ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen und auch anerkannt worden. Er hat die Möglichkeit, im Rahmen eines Resettlementverfahrens (Wiederansiedlungsprogramm) zu seinen Eltern und Geschwistern nach Kanada zu gehen. Er hat allerdings in Deutschland ein Studium angefangen und möchte daher bleiben. Aufgrund einer psychischen Erkrankung, vermutlich ausgelöst durch traumatische Fluchterfahrungen, versäumte er Rückmeldefristen für seinen Aufenthalt. Er verliert seinen Aufenthaltstitel und lebt nun als Obdachloser auf der Straße.

Amina aus Nigeria ist mit der Versprechung, eine Arbeit zu erhalten, nach Italien gekommen. Nach der Ankunft wird sie zur Prostitution gezwungen. Sie ist ein Opfer von Menschenhändler* innen geworden. Sie schafft es, zu entkommen und stellt in Deutschland einen Asylantrag. Da ihr Ersteinreiseland in die EU Italien ist, soll sie im Rahmen des Dublin-Verfahrens wieder nach Italien zurücküberstellt werden. Sie hat Angst, dort wieder in die Hände der Ausbeuter*innen zu fallen und taucht unter.

Illegal in Deutschland lebende Menschen haben es schwer, ihre Rechte auf Wohnen, Bildung, Sozialleistungen oder Gesundheitsversorgung wahrzunehmen. Denn dabei müssten sie offen legen, dass sie sich ohne einen Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten. Öffentliche Stellen sind verpflichtet, die Ausländerbehörde darüber zu informieren, man spricht von der sogenannten Übermittlungspflicht. Damit droht ihnen die Abschiebung. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kirchlicher und nicht-kirchlicher Beratungsstellen versuchen, die bestmögliche Lösung für diese Menschen in der Illegalität zu finden.

ILLEGAL IN DEUTSCHLAND LEBENDE KINDER, JUGENDLICHE UND ERWACHSENE HABEN RECHTE!

Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat der Kinderrechtskonvention. Daher darf keinem Menschen (…) der Zugang zu Bildung rechtlich und faktisch verwehrt werden. (UN-KRK Art. 28) Um den Zugang zur Bildung zu gewährleisten, wurden im Jahr 2011 Bildungseinrichtungen und Erziehungseinrichtungen von der Übermittlungspflicht ausgenommen, das heißt, sie müssen einen illegalen Aufenthalt nicht melden.

Jeder Mensch hat das Recht auf den »höchsten erreichbaren Stand an körperlicher und geistiger Gesundheit«. So ist es im UNSozialpakt von 1966 (Art. 12) formuliert, der auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurde. Jeder Mensch sollte demnach Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.

ERZIEHUNG UND BILDUNG

Kinder ohne Aufenthaltsrecht dürfen und können eine Kita oder einen Kindergarten besuchen, haben aber keinen rechtlichen Anspruch darauf und bekommen auch keine finanzielle Unterstützung, da sie von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen sind. Der Besuch einer Kita scheitert häufig an »bürokratischen Hürden«.

Der Schulbesuch muss allen Kindern garantiert werden. In Deutschland wird der Schulbesuch von den Bundesländern geregelt. Entsprechend unterschiedlich sind die Regelungen. In allen Bundesländern besteht entweder eine Schulpflicht für alle Kinder oder ein Schulzugangsrecht für Kinder ohne Aufenthaltsstatus. Die Schule muss den Aufenthaltsstatus der Eltern der Kinder nicht melden. Oft scheitert aber dennoch die Aufnahme an einer Schule an Unkenntnis des mit der Aufnahme betrauten Personals oder an dem Erfordernis einer Meldebescheinigung, zum Beispiel um zu klären, dass das Kind im Einzugsbereich der Schule wohnt.

GESUNDHEITSVERSORGUNG

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben Menschen ohne Aufenthaltsstatus grundsätzlich Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Sie müssen dafür aber beim Sozialamt einen Krankenschein beantragen. Das Sozialamt muss die Daten melden, sodass Abschiebung droht. Nur in Notfällen haben sie Anspruch darauf, ohne Behandlungsschein behandelt zu werden. Am besten wenden sich Menschen ohne Papiere an nicht-staatliche Institutionen wie die Malteser Migranten Medizin, MediNetze oder Clearingstellen.

WOHNUNG

Eine Wohnung auf dem freien Markt zu finden, ist schwierig. Wer dennoch eine Wohnung findet, ist verpflichtet, sich beim örtlichen Einwohnermeldeamt anzumelden, dieses muss die Ausländerbehörde informieren. Eine Sozialwohnung ist nur mit einem Wohnberechtigungsschein zu bekommen. Dafür müssen die persönlichen Daten offengelegt werden. In einer Flüchtlingsunterkunft müsste die Identität ebenfalls offengelegt werden. Menschen ohne legalen Aufenthalt schließen häufig Untermietverträge mit Verwandten oder Bekannten ab. Dabei können sie ihre Anonymität wahren, begeben sich aber auch in Abhängigkeit von der Hauptmieterin oder dem Hauptmieter. Mietrechte können sie dabei nur schwer geltend machen.

ARBEIT

Menschen ohne Papiere dürfen keine Beschäftigung aufnehmen, weil sie keinen Aufenthaltstitel haben. Häufig gehen sie deshalb illegale Beschäftigungsverhältnisse ein, für die sie oftmals viel zu gering bezahlt werden. Sie haben zwar Arbeitnehmer*innenrechte und einen Anspruch auf Renten- und Krankenversicherung, aber es ist für sie riskant, Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, weil dann wieder Meldepflichten zum Tragen kommen. Aufgrund ihres irregulären Aufenthaltsstatus sind sie der Willkür der Arbeitgeber*innen ausgesetzt.

Martina Liebsch ist Geschäftsführerin des Katholischen Forums Leben in der Illegalität und der Arbeitsgruppe Menschenhandel der Deutschen Bischofskonferenz. Davor war sie zehn Jahre International Advocacy Director von Caritas Internationalis, dem globalen Dachverband der nationalen Caritasverbände.

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