„Nationalismus ist auch Mädelsache“

Unscheinbar, aber nicht zu unterschätzen – Frauen spielen in der rechtsextremen Szene eine wichtige Rolle. Ein Bericht von Andrea Röpke.

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© Björn Kietzmann

Josephine G. gilt als einflussreiche NPD-Frau in Nordfriesland. Sie baute den Kreisverband der Neonazi-Partei zu einem der professionellsten im Norden auf. Sprach- und schreibgewandt kündigte sie Aktionen an, berichtete von Schulungen und Aufmärschen. Regionale Themen lagen ihr am Herzen, so ein „Bestechungsskandal in der Husumer Ausländerbehörde“ oder das NPD-Flugblatt „Zurück zum dreigliedrigen Schulsystem“. Öffentlich gab sich „Josephine G.“ nicht zu erkennen. Ihr Name galt lange als Geheimnis. Kein Wunder, im normalen Leben verbirgt sich hinter dem Pseudonym der regen Neonazistin die 35-jährige Lehrerin Ann-Kristin J. Im Winter 2010 entdeckte eine Mutter zahlreiche Mails der Deutsch- und Englisch- Pädagogin auf dem Laptop ihres damals 15-jährigen Sohnes. Sie waren teils mit „88“ – dem Szenecode für „Heil Hitler“ – unterzeichnet. Es stellte sich heraus, dass die Lehrerin alias Josephine G. den Jungen aus ihrer Klasse für die NPD-Jugendorganisation angeworben hatte. So schrieb sie unter anderem: „Das neue Material muss auch auf dem Weg sein, dann habt ihr wieder was zu tun.“ Im Sommer 2011 berichtete die Ausgabe Nord der „taz“ über das doppelte Spiel der Pädagogin. Sie wurde suspendiert und bat inzwischen selbst um Befreiung aus dem Schuldienst. Leider kein Einzelfall. Etwa jeder fünfte Neonazi ist weiblich, denn: „Nationalismus ist auch Mädelsache!“ Damit stellen junge Mädchen und Frauen die „zweite Front“. Rund 26.000 gefestigte Rechtsextremistinnen soll es laut Verfassungsschutz in der Bundesrepublik geben. Viele von ihnen gründen Familien. Nicht wenige sind in pädagogischen Berufen aktiv.

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Radikale Positionen verharmlosen

Neonazistische Frauen mit einem geschlossenen rassistischen Weltbild sind deshalb so gefährlich, weil sie radikalste Positionen nach außen verharmlosen. Sie unterwandern die Gesellschaft auf die „sanfte Tour“. Mädchen und Frauen sind das freundliche Gesicht einer menschenverachtenden Politik. Sie infiltrieren Krabbelgruppen, Elternvertretungen, Vereine und Initiativen. Ihre Themen sind in erster Linie Elternschaft und Erziehung, aber auch Umwelt- und Naturschutz spielen eine große Rolle. Der Oberbegriff lautet: „Heimatschutz“. Tatsächlich werden NPD-Frauen, wenn überhaupt, erst auf den zweiten Blick als strategisch und politisch verantwortlich Handelnde wahrgenommen. Anhängerinnen aus dem rassistischvölkischen Milieu rechter Siedlerinnen oder aus den militanten Kameradschaften fallen oft noch weniger auf. In der öffentlichen Wahrnehmung ist rechte Gewalt männlich. Doch nicht zuletzt die Verbrechen der rechten Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zeigen, dass junge Frauen auch vor rassistisch motivierten Gewalt- und Straftaten immer weniger zurückschrecken. Ihr Anteil an diesen Straftaten wird bei rund zehn Prozent verortet. Weiblicher Hass richtet sich, wie jener der Männer, gegen Migrant_innen, Obdachlose, politische Gegner_innen und Homosexuelle. Auch für rechtsextreme Frauen scheint es durchaus legitim, Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele anzuwenden. Im Komplizennetzwerk der NSU spielt nicht nur die für 13 Jahre abgetauchte Neonazi-Aktivistin Beate Zschäpe eine Rolle, auch mindestens drei mutmaßliche Unterstützerinnen halfen im Hintergrund

NSU-Morde kamen ungelegen

Die NPD und ihre 2006 gegründete Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) äußern sich nur verhalten zu den Morden an zehn Menschen, begangen durch Kamerad_innen. Sie sehen sich und die „Bewegung“ in der Opferrolle. „Ob in Schweden jemand mordet oder in der Bundesrepublik – was auch immer geschieht und nicht von Islamisten oder nachweislich Antinationalen ausgeht – sofort soll die NPD dafür verantwortlich gemacht oder verboten werden“, heißt es auf der Homepage des Ringes. Denkbar ungelegen kommen die geplanten Morde der NSU den Strategen der Neonazi-Partei. Ist man doch gerade auf dem Weg der Akzeptanzgewinnung und der kommunalen Verankerung. Immerhin ist es gelungen, eine Organisation, die sich offen als „Kampfgemeinschaft“ tituliert und aus ihrer Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus kaum einen Hehl macht, seit zwei Legislaturperioden in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in über 500 Kommunalparlamenten zu etablieren.

Die Szene, auch die Frauen, konnte sich in der „Mitte der Gesellschaft“ etablieren und professionalisieren. Dafür schulen sie sich im „Ring Nationaler Frauen“ gegenseitig. Chefin ist seit 2012 die diplomierte Schauspielerin Sigrid Schüssler, eine Hardlinerin, die seit vier Jahren auch im bayerischen Landesvorstand der NPD sitzt. Auf dem Programm der Frauen-Unterorganisation stehen unter anderem Rhetorik, Argumentationshilfen, Verhaltensvorschläge und juristische Hilfestellungen. Tatsächlich stellt der Ring Nationaler Frauen seit seiner Gründung 2006 keine eigenen frauenpolitischen Forderungen auf. Die vom damaligen Mädelring Thüringen um Mareike Bielefeld und Isabell Pohl vor Jahren kurzzeitig gestellte Forderung nach einem „nationalen Feminismus“ griff der RNF niemals auf. Im Gegenteil, die NPD-Unterorganisation ordnet sich voll dem biologistischen Weltbild und der verordneten Rollenzuteilung in der angestrebten homogenen „Volksgemeinschaft“ unter. Feminismus und Gleichbereichtigung gelten unter nationalistischen Frauen als „Irrlehre“ und „krankhafter Wahn der Umerzogenen“.

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Doch der braune Alltag sieht oft wenig ideal aus.

Vorrangige Aufgabe engagierter Nationalistinnen ist nach wie vor die „Aufzucht“ deutscher Kinder, um einem drohenden „Volkstod“ entgegenzuwirken. Erziehung wird als „nationale Lebensaufgabe“ verstanden, wie es in der NPD-Zeitung 2010 hieß. Selbsternannte „Mutterfrauen“ sorgen dafür, dass bereits Kleinkinder bei der Schaffung einer „nationalen Gegenkultur“ kräftig mit eingebunden werden.

Der Nachwuchs extrem rechter Eltern wächst mit zwei Szenarien auf: Die Bundesrepublik Deutschland sei dem Untergang geweiht – als heile Welt stelle sich dagegen eine homogen nationalistische „Volksgemeinschaft“ und das angestrebte „Deutsche Reich“ dar. Neonazistinnen leisten eine Gradwanderung zwischen althergebrachten Traditionen, Rassenideologie und modernen Lebensformen. Emanzipation und Feminismus sind klare Feindbilder. Bewusst akzeptieren sie ein biologistisches Weltbild und die verordnete Rollenzuteilung. Dennoch wollen sie weder „Heimchen am Herd“, noch nur die Freundin eines Neonazis sein. Extrem rechte Frauen aller Altersklassen sehen sich als politische Kampfgefährtin an der Seite der Männer. Ihr Einsatz – sei es im Hintergrund oder offen politisch – stabilisiert die Szene.

Der Blick hinter die Kulissen offenbart eine nur scheinbar gleichberechtigt agierende Lebenswelt. Recherchen belegen die Zwiespältigkeit der Neonazis im Umgang mit ihrem weiblichen Potenzial. Das Geschlecht entscheidet über die Position. Verweigert sich eine deutsche Frau den „eigenen, naturgegebenen Pflichten“ als Mutter, „dann macht sie sich im schwersten Maße mitschuldig am Untergang des eigenen Volkes“, heißt es in einer Grundsatzschrift extrem rechter Frauen. Selbstverwirklichung gilt als „liberalistische Fessel“ und „Trugbild“. Doch der braune Alltag sieht oft wenig ideal aus: Überforderte junge Mütter, wenig Geld, Ehemänner, die sich kaum um die eigenen Kinder kümmern, Stiefkinder ablehnen und ihren Frauen wenig Raum zur freien Entfaltung lassen. Zwischen Wirklichkeit und nationaler Außendarstellung liegen oft Welten.

Autorin: Andrea Röpke ist freie Journalistin und Rechtsextremismusexpertin. Seit vielen Jahren recherchiert sie zur rechtsextremen Szene in Deutschland und erlangte mehrfach Preise für besonders mutigen und engagierten Journalismus

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