Rechtspopulismus begegnen

von Simone Rafael

Rechtspopulismus im Alltag hat viele Gesichter – von der besorgten älteren Dame, die sich vor »der Kultur« der »xxx« fürchtet (setzen Sie eine Gruppe ein), über den Herrn, der »kein Rassist ist, aber mal sagen möchte...«, und di eMutter, die nicht über mangelnde Kita-Konzepte oder geringe Wertschätzung der Betreuungsarbeit schimpft, sondern über »Migrantenkinder«, bis zum bekennenden Wähler rechtspopulistischer Parteien. Die Meisten von uns treffen auf rechtspopulistische, rassistische, antisemitische, sexistische, »gegen die da oben«-Thesen vor allem im Alltag – im Kolleg*innen- und Bekanntenkreis, in der Timeline auf Facebook oder Twitter.

Schlecht ist: Wenn dies unwidersprochen, unhinterfragt, unkommentiert bleibt, als scheinbare Normalität hingenommen wird. Denn das wird der Rechtspopulist (und ebenso die abgewertete Gruppe) als Zustimmung interpretieren.

Aber: Sie müssen nicht konfrontativ an die Stellungnahme herangehen. Durch Nachfragen und das Erbitten von Quellen und Belegen erfahren Sie oft schon viel von der Gesinnung, Lebenseinstellung und Diskussionsbereitschaft derjenigen, mit denen Sie sprechen – und ob es sich lohnt, ein solches Gespräch überhaupt zu führen. Ob Sie mit Rechtspopulist*innen debattieren möchte, ist eine persönliche Entscheidung und diese kann auch je nach Anlass, Öffentlichkeit und Zeitressourcen variieren.

Warum es sinnvoll sein kann, mit Rechtspopulist*innen zu debattieren:
1) Rechtspopulist*innen vertreten offen demokratie- und menschenfeindliche Positionen – aber auch solche, die zumindest einigen Menschen durchaus vernünftig und diskutabel erscheinen mögen. Diesen inhaltlich-argumentativ zu begegnen ist überzeugender, als sie einfach als »rechtspopulistisch« zu brandmarken.

2) Je öffentlicher eine Debatte ist, desto wichtiger ist es, sie zu führen: Denn es geht nicht unbedingt darum, den rechtspopulistischen Gesprächspartner selbst zu überzeugen (das ist schwer ohne Beziehungsebene), sondern vielmehr darum, schweigende Mithörende oder Mitlesende zu erreichen, deren Meinung noch nicht gefestigt ist.

3) Wer sich in eine Debatte mit Rechtspopulist*innen begibt, sollte bedenken: Es gibt unter ihnen etliche geschulte Rhetoriker*innen. Gerade in ihren Kern-Themenbereichen sind sie inhaltlich sehr stark – in anderen Themen dagegen oft nicht so sehr. Zudem verfolgen Rechtspopulist*innen meist eine eher destruktive Gesprächsstrategie. Es geht um die Anklage von (vermeintlichen) Problemen oder skandalösen Verhältnissen, Verfehlungen von »Eliten« oder »Gutmenschen«. Gerade deshalb kann es interessant sein, erst einmal alle vermeintlichen Fakten zu hinterfragen und inhaltlich nach Lösungen für die benannten Probleme zu fragen. Auch gut: Bis zum (menschenrechtswidrigen, grundgesetzwidrigen) Kern der Aussage fragen – was ist gemeint mit »Die Grenzen mit Waffengewalt verteidigen«? Natürlich gibt es auch unterschiedliche Arten von rechtspopulistischen Gesprächspartner*innen, die ihre Tücken haben: Hardliner werden eher aggressiv und persönlich unangenehm. Sachliche Vertreter können jovial und alert auftreten und so Sympathien gewinnen.

4) Rechtspopulismus im privaten Umfeld: Hier gibt es einen großen Vorteil: Wo eine Beziehungsebene besteht, die Person uns also irgendwie mag oder zumindest mit uns auskommen will oder muss, sind unsere Chancen viel größer, überzeugend oder zum Nachdenken anregend zu wirken. Haben Sie dabei keine Angst, über Themen nicht genug Bescheid zu wissen. Es geht nicht darum, jemand an die Wand zu argumentieren. Es geht vielmehr um Widerspruch, um Kommentieren, um Hinterfragen, damit abwertende, rassistische, hasserfüllte Aus sagen nicht einfach so stehen bleiben. Denn das interpretieren Rechtspopulist*innen (und ebenso die abgewerteten Gruppen) oft als Zustimmung. Selbst wenn Sie von einem Thema keine Ahnung haben, können Sie auf Verallgemeinerungen (»Der« Islam, »das« Frauenbild…) und auf Gruppenzuweisungen (»Wir« vs. »die«) hinweisen. Auch das eigene Unbehagen zu äußern oder Lösungen einfordern und Konsequenzen aufzuzeigen, kann zielführend sein. Einfacher ist es wo möglich, auf Unstimmigkeiten in der Argumentation aufmerksam zu machen und genau nachzufragen. Letztlich ist am wichtigsten, sich zu positionieren: Lassen Sie rassistische und rechtspopulistische Postings und Aussagen nicht unkommentiert stehen, schweigen Sie nicht.

5) Das Ziel der Debatte ist nicht, dass eine Meinung »gewinnt« – sondern dass sich Menschen, während sie sich austauschen, Gedanken zum Thema machen, Haltungen entwickeln und vertreten, und sie bestenfalls daran testen, dass sie sich in den Blickwinkel des Gegenübers hineinversetzen und ihre Einstellung dahingehend überprüfen. Dazu gehört auch, dass man alle Fairness, die man selbst erwartet, auch auf sein Gegenüber anwendet.

6) Rechtspopulist*innen einladen? Natürlich können Sie Rechtspopulist*innen auf ein Podium oder zu einem Interview einladen. Allerdings sollten Sie vorher bedenken, dass die Rechtspopulist*innen jede Einladung nutzen werden, um die Legitimität ihrer politischen Forderungen zu belegen. Auch, wenn Sie das nicht so meinen. Auf Podien kommen eher keine ungeschulten Mitläufer*innen. Überschätzen Sie nicht Ihre Fähigkeiten zur »Entzauberung«. Vorbereitung ist Pflicht, ebenso eine adäquate Besetzung des Podiums. Es könnte auch passieren, dass Mitdiskutant*innen oder Besucher*innen dann nicht kommen, weil sie etwa als potenzielle Zielgruppe rechtspopulistischen Hasses Angst haben. Überlegen Sie also, wen Sie ausschließen wollen. Ausgewogenheit heißt nicht, dass Sie immer alle Positionen abbilden müssen, also etwa alle politischen Parteien einladen müssen. Es ist aber eine Frage der Haltung: Wenn dies kritisiert wird, müssen Sie sie aushalten und bestenfalls begründen, warum Sie sich so entschieden haben.

7) Rechtspopulistische Agitation: Wenn es in ihrem Umfeld rechts populistische Parteien oder Organisationen gibt, die versuchen, im lokalen Umfeld Stimmung zu machen etwa gegen Geflüchtete oder für Demokratie Engagierte, begegnen Sie deren Thesen: Veröffentlichen Sie schnellst - möglich ein Statement, das auf den menschenverachtenden Kern einer rechtspopulistischen These hinweist. Auch eine Richtigstellung von Lügengeschichten ist schnell geschrieben, über soziale Netzwerke oder die eigene Webseite schnell zu verbreiten und wichtig, damit es auch eine auffindbare Gegenposition gibt.

Bleiben Sie dabei immer sachlich: Überzeugen Sie gegen rechtspopulistische Emotionen mit gut belegten Beispielen und Quellen. Im Idealfall sind es mehrere Akteure, die ihre These stützen, das erhöht die Glaubwürdigkeit. Es geht dabei nicht um die Rechtspopulist*innen selbst, sondern vor allem um die Unentschlossenen.

Handeln Sie lösungsorientiert: Ist an der rechtspopulistischen These »etwas dran«, benennt sie etwa ein reales Problem in der Kommune? Nehmen Sie es auf und bearbeiten Sie es – und zeigen Sie so, dass es für reale Probleme auch reale Lösungen gibt – und dass diese nichts mit Rassismus zu tun haben.

Gehen Sie mit Haltung in die Debatte: Menschenrechte und Grundgesetz sind für unsere Demokratie nicht zu verhandelnde Grundlagen. Dazu gehört die Gleichwertigkeit aller Menschen. Rechtspopulist*innen bieten dagegen Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus oder Elitenschelte an. Doch gerade anhand von konkreten Argumenten wird offenbar: All dies löst keine Probleme.

Simone Rafael, Journalistin, Chefredakteurin von "Netz-gegen-Nazis.de" in Kooperation mit der ZEIT. simone.rafael@amadeu-antonio-stiftung.de

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