Alltag in Auschwitz
Eines Tages kam ich von der Arbeit. Auf dem Lagergelände befand sich ein Vorratsmagazin. Ich sah dort Brot und dachte, wenn ich ein Brot nähme, hätte ich etwas zu essen. Also griff ich ein Laib Brot und lief davon. Aber ein SS-Mann verfolgte mich, bekam mich zu fassen und ließ mich nicht mehr los. Er zückte seine Pistole und befahl mir zu tanzen. Er schoss mir auf die Füße und ich hüpfte von einem Fuß auf den anderen. Er zerschoss mir dabei einige Zehen. Erst habe ich das nicht bemerkt, dann spürte ich das feuchte Blut in meinen Holzschuhen. Als die Häftlinge von der Arbeit kamen, gelang es mir zu flüchten. Der SS-Mann konnte mich in dem Gewühl nicht finden und ließ von mir ab. Mein Bein begann zu faulen und eiterte, die Knochen waren durch die Schüsse zertrümmert. Nach zwei Wochen im Krankenbau musste ich wieder arbeiten.
Im Steinbruch von Mittelbau-Dora
Mit 14 Jahren kam ich 1944 nach Buchenwald und war dort vier Wochen im Quarantäneblock. Dann ging es weiter ins Konzentrationslager Mittelbau-Dora. An dem einen Ende des Berg-Tunnels fuhren die Züge raus, dort produzierten die Deutschen die V1. Am anderen Ende des Tunnels schlugen wir die Steine ab, warfen sie auf einen Wagen - den ganzen Tag lang ohne Pausen. In dem Steinbruch habe ich ein Jahr gearbeitet [...] Einmal als mit Dynamit gesprengt wurde und wir nicht schnell genug beiseite gelaufen sind, sah ich einen russischen Häftling neben mir, der erst lachte und dann weinte. Das war Steingas. Der Kapo sagte, dass wir den Stollen verlassen sollten. Wir kletterten einen Stollen tiefer, warteten ein bis zwei Stunden bis das Gas entwichen war und kletterten wieder nach oben. So war unser Leben das ganze Jahr über.
Auf tödlichen Transporten und Befreiung in Bergen-Belsen
Zu Beginn des Jahres 1945 brachte man mich von Dora in das Konzentrationslager Harzungen, einem Außenlager von Buchenwald. Dort gab es vier Holzbaracken, in jeder Baracke waren wir zu Hundert. Eines Tages gegen 23 Uhr wurden unsere Nummern verlesen und wir wurden auf ein Bahngleis zu einem Zug mit vier Güterwaggons gebracht. Die Hände auf den Rücken gefesselt, wurden wir zu den Waggons geführt und man steckte uns unter den angewinkelten Arm jeweils einen halben Laib Brot, das war alles. Dann fuhren wir eine Woche lang in den Güterwaggons ohne Verpflegung, ohne Essen, ohne Trinken.
Letztendlich brachten sie uns in das Konzentrationslager Bergen-Belsen zwischen Hannover und Celle. Ich war dort eine Woche und wir mussten die Leichen auf die Karren ziehen. Dort gab es sehr viele Leichen, sehr viele Leichenhaufen. Eine Leiche zogen wir immer zu zweit mit einer Schnur an deren Hand oder Bein. Dann mussten wir die Leichen in Gruben hinein werfen.
Der 17. April war der Tag unserer Befreiung! Hurra! Hurra! Hurra! Hurra! Uns haben die Alliierten befreit. Das Lager habe ich aber erst nach einer Woche verlassen.
Hitler hat meine ganze Familie vernichtet
Bis zum Herbst 1945 musste ich mit einem Lungenschaden in einem Sanatorium in Deutschland bleiben, dann schloss ich mich dort einer Roma-Gruppe an und kehrte erst 1947 nach Polen zurück. Da war ich 17 Jahre alt und ganz allein: Außer einigen Verwandten mütterlicherseits sind alle Mitglieder meiner Familie während der deutschen Okkupation ums Leben gekommen. Hitler hat meine Familie vernichtet.
Ich bin Roma und ich hab dieses Land verteidigt
Ich mag die Polen sehr gerne. Ich habe von ihnen nie etwas Schlechtes erfahren, Ich habe dieses Land verteidigt, hier wurde ich geboren, hier wurde ich groß und bis zum heutigen Tag achte ich jeden Menschen so wie mich selbst. Ich esse polnisches Brot, es schmeckt mir.
Ich bin ein Roma. Ich kann mich von meiner Tradition nicht lossagen. Wir versammeln uns jedes Jahr im August in Birkenau zum Gedenken an die ermordeten Roma. In den letzten Jahren habe ich an allen Feiern teilgenommen, aber es ist sehr schwer für mich dort hinzufahren. Alle meine Geschwister, meine Mama, meine Schwester, mein Bruder wurden dort ermordet. Bei der letzten Gedenkfeier musste man mich auf einer Trage herausbringen. Ich habe die ganze Zeit nur geweint und geweint. Von 1942 bis 1945 war ich in den Händen des Satans. Ich habe die Gehenna – die Hölle – durchlebt.
Aus dem Polnischen übersetzt von Anna Meier und Arthur Osinski.