Kein Foto ist von Hedwig Porschütz, geborene Völker, erhalten. Eine Anerkennung für ihren Widerstand im Nationalsozialismus blieb ihr zeit ihres Lebens verwehrt. Ein paar Eckdaten sind bekannt: Sie wurde am 10. Juni 1900 in Berlin-Schöneberg geboren, ging 1914 auf eine Handelsschule und war anschließend bei mehreren Firmen im Büro beschäftigt. Etwa 1926 heiratete sie Walter Porschütz, der als Kellner und Chauffeur arbeitete. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war Hedwig Porschütz aufgrund der schweren wirtschaftlichen Depression gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten. Wegen Erpressung wurde sie 1934 zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Über ihr Leben in den 1930er Jahren weiß man nur, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann in einer anderthalb Zimmerwohnung in Berlin-Mitte wohnte.
Etwa seit 1940 stand Hedwig Porschütz in engem Kontakt zu Otto Weidt, einem Berliner Bürstenfabrikanten, der eine Blindenwerkstatt in Berlin-Mitte führte. Um ihn herum entstand vor allem nach dem Beginn der Deportation der Berliner Jüdinnen und Juden ab Herbst 1941 ein Netzwerk aus Helfer*innen. Eine Unterstützerin war Hedwig Porschütz. Sie beteiligte sich an zahlreichen Rettungs- und Hilfsaktionen – obwohl sie als vorbestrafte Frau im Nationalsozialismus besonders gefährdet war.
So versteckte Hedwig Porschütz im Januar 1943 die jüdischen Zwillingsschwestern Marianne und Anneliese Bernstein in ihrer Wohnung. Weil die beiden als „Illegale“ keine Lebensmittelkarten beziehen konnten, versorgte Hedwig Porschütz sie mit Essen. Etwa ein halbes Jahr lebten sie dort ehe die Situation wegen einer Polizeiaktion zu gefährlich wurde. Daher besorgte Hedwig Porschütz ihnen ein neues Versteck und versorgte sie weiterhin mit Lebensmitteln. Marianne und Anneliese überlebten dank ihrer Hilfe und emigrierten nach dem Krieg in die USA.
Im März 1943 nahm Hedwig Porschütz auch Grete Seelig und deren Nichte Lucie Ballhorn auf, sodass sie zeitweise vier „Illegale“ in ihrer kleinen Wohnung beherbergte. Anschließend brachte sie die beiden bei ihrer Mutter unter. Während Grete Seelig überlebte, wurde Lucie Ballhorn im Oktober 1943 festgenommen und später in Auschwitz ermordet.
Gemeinsam mit Helfer*innen – darunter auch Hedwig Porschütz – gelang es Otto Weidt zwischen Oktober 1943 und Oktober 1944 mehr als 150 Lebensmittelpakete an seine im Ghetto Theresienstadt inhaftierten Arbeiter*innen und deren Angehörige zu schicken. Die Empfänger*innen profitierten dabei von den Schwarzmarktgeschäften, die Hedwig Porschütz machte und auf die hohe Strafen standen. Diese Geschäfte wurden ihr im September 1944 zum Verhängnis: Sie wurde festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Dabei wurde ihr auch vorgeworfen, dass sie in früheren Jahren „gewerbsmäßig der Unzucht“ nachgegangen sei. Am 7. Mai 1945 kam sie frei.
Nach dem Krieg lebten Hedwig Porschütz und ihr Mann in ärmlichen Verhältnissen, sie litten beide unter chronischen Krankheiten. Zeit ihres Lebens blieb Hedwig Porschütz eine Anerkennung für ihren Widerstand im Nationalsozialismus verwehrt. 1956 stellte sie einen Antrag, um als politisch Verfolgte anerkannt zu werden, die Ablehnung kam drei Jahre später: Hilfe für verfolgte Juden sei keine Widerstandshandlung, außerdem habe sie sich mit Schwarzmarktgeschäften sogenannter „Kriegswirtschaftsverbrechen“ schuldig gemacht. Zudem wurde ihr wegen ihrer Vergangenheit als Prostituierte ein „niedriges sittliches und moralisches Niveau“ unterstellt. 1977 starb Hedwig Porschütz in einem Berliner Altersheim. Es sind keine Fotos von ihr erhalten geblieben.
Erst 2011, 34 Jahre nach ihrem Tod und 67 Jahre nachdem das Gerichtsurteil gefällt worden war, wurde es von der Staatsanwaltschaft Berlin wieder aufgehoben. In der Begründung hieß es, dass die Richter von 1944 sich nicht als Rechtsanwender, sondern als Bestandteil einer ‚Kampftruppe‘ und als politische Kämpfer für Hitler verstanden hätten.
2012 wurde Hedwig Porschütz in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern aufgenommen.
Ute Brenner, Historikerin und Redakteurin, ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.