Freiwilligendienst & Friedensdienst für ein Jahr in Frankreich: Straßenszene in Lyon
In größeren und kleineren Städten in Frankreich arbeiten derzeit 17 ASF-Freiwillige, zum Beispiel in der Erinnerungs- und Bildungsarbeit, in Dokumentationszentren und Begegnungscafés. Sie begleiten Flüchtlinge und alte Menschen, Erwachsene mit Behinderungen oder Jugendliche mit psychischen Krankheiten.
Im Alltag erleben Freiwillige oft, dass sich ein Leben in Frankreich trotz geografischer Nähe und ähnlichen sozioökonomischen Bedingungen in vieler Hinsicht von dem gewohnten Leben in Deutschland unterscheidet. Das Leben beim "fremden Freund" ist spannend und dieser Freund muss jenseits der scheinbaren Vertrautheit erst einmal entdeckt und verstanden werden. Deutsche erleben bei einem längeren Aufenthalt im Land vielfältige Unterschiede, die auch differenzierte Kenntnisse der Geschichte verlangen. Kollektive Traumata wie der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie die Deportation von 76.000 Juden in die nationalsozialistischen Vernichtungslager spielen im öffentlichen Bewusstsein Frankreichs eine wichtige Rolle. Neben der zunehmenden Auseinandersetzung mit den Tätern des Vichy-Regimes wird verfolgt, wie die deutsche Gesellschaft ihrerseits mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus umgeht. Dazu gehört die aufmerksame Beobachtung des "neuen Deutschlands" hinsichtlich der Positionsbestimmung gegenüber seinen europäischen Nachbarn.
Im Jahr 2011 feierte ASF das 50-jährige Jubiläum der Arbeit in Frankreich. 1961 kamen die ersten Gruppen von Freiwilligen, um durch sogenannte Bauprojekte sichtbare Zeichen an Orten zu setzen, die besonders durch die nationalsozialistische Besatzung Frankreichs betroffen waren. Freiwilligengruppen bauten eine Versöhnungskirche in Taizé und wenig später halfen weitere Gruppen beim Bau der Synagoge in Villeurbanne, Lyon.
Seitdem sind hunderte von jungen Menschen als ASF-Freiwillige nach Frankreich gekommen – und immer wieder fasziniert von der Unterschiedlichkeit, so wie Marius, der sich 2014/15 bei Yahad In – Unum und im Café des Psaumes engagiert. Über Paris schreibt er: „Innerhalb der Stadtgrenzen von Paris gibt es einige Viertel „populaire“. Das meint „volkstümlich“ und durchmischt. Im Osten der Stadt (19., 20. Arrondissement) gibt es noch die günstigsten Mieten. Dort leben viele Einwanderer*innen aus dem Maghreb, aus Südamerika, Spanien, Italien, Portugal und Asien. Dort ist es bunt und lebendig. Das bourgeoise 16. Arrondissement, am rechten Seineufer gelegen, ist der wohlhabendsten Bevölkerungsschicht in Paris vorbehalten – man könnte als auch vom Gegenteil sprechen: sozialer Durchmischungsgrad gleich null. Zwischen diesen beiden Vierteln liegen Welten, auf kultureller und sozialer Ebene. Das nährt für mich ein wenig den Eindruck von Paris, einer Stadt aus mindestens 20 Städten. Dies liegt nicht zuletzt an dem allgemeinen Gedränge: die Métro ist bis zum Anschlag voll, der Verkehr stockt, die Luft ist verschmutzt, brechender Lärm auf den Straßen.“
Die Freiwilligen wachsen neben ihren Erfahrungen mit einem neuen soziokulturellen und sprachlichen Umfeld an ihren Erlebnissen im Projektalltag. So berichtet Louisa Fettweiss aus einer Tageseinrichtung für Menschen mit Behinderung in Villefranche-sur-Saône, bei Lyon: „Hinter dem Alltag steht viel: Wir, die Betreuenden, haben den Betreuten gegenüber große Verantwortung, wir geben ihnen Sicherheit und Halt (ebenso den Familien), begleiten sie in ihrem Alltag, in Freudenstunden aber auch in schwierigen Phasen, wir müssen enge Beziehungen aufbauen und gleichzeitig Distanz waren, wir fördern und unterstützen. Was dies für eine große Herausforderung ist, habe ich erst mit der Zeit realisiert. Ich habe großen Respekt vor meinen Kollegen.“
Frankreich gehört zum internationalen Programm von ASF für Freiwillige aus Deutschland.
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