Auch wenn Polen schon im Gründungsaufruf von Aktion Sühnezeichen 1958 genannt wurde, dauerte es knapp 40 Jahre, bis ab 1996 ASF-Freiwillige kontinuierlich in Polen arbeiten konnten. Heute gibt es circa 16 Plätze für Freiwillige in Polen für Freiwillige aus Deutschland und aus Ukraine.
Sie arbeiten in der historisch-politischen Bildung, beispielsweise in den KZ-Gedenkstätten Stutthof und Majdanek sowie in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oświęcim/Auschwitz. Darüber begleiten ASF-Freiwillige Überlebende der NS-Verfolgung, unterstützen Menschen mit Behinderungen oder engagieren sich in Kinder- und Jugendeinrichtungen.
Wer aus Deutschland als ASF-Freiwillige*r nach Polen kommt, sollte Lust haben, Polnisch zu lernen. Vorkenntnisse in einer anderen slawischen Sprache sind dabei hilfreich. Selbstständigkeit und Zuverlässigkeit sowie Interesse für Geschichte sind in den meisten Projekten eine wichtige Basis.
Trilaterales Programm für Freiwillige aus Deutschland und Ukraine.
Seit September 2009 arbeiten ASF-Freiwillige aus Deutschland und aus Ukraine gemeinsam in Polen - einige auch in deutsch-ukrainischen „Tandems“ gemeinsam in einem Projekt. Deutsche und ukrainische ASF-Freiwillige besuchen gemeinsam die ASF-Seminare – manchmal auch gemeinsam mit polnischen Teilnehmer*innen.
Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Dabei gerät häufig in Vergessenheit, dass während der fünfjährigen deutschen Besatzung sechs Millionen polnische Staatsbürger*innen ermordet wurden, hunderttausende Frauen und Männer waren als Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern und/oder mussten Zwangsarbeit verrichten. Polen erlitt hohe materielle und kulturelle Verluste: die Verschiebung der Staatsgrenzen, den Verlust eines Viertels seines gesamten Staatsgebiets und damit verbunden die Umsiedlungen von Millionen von Menschen.
Polen wurde - neben Russland und Israel - im ASF-Gründungsaufruf von Lothar Kreyssig explizit genannt als Land, das besonders unter der deutschen Besatzung gelitten hat. Der Kalte Krieg und die Blockkonfrontation führten jedoch dazu, dass zunächst lediglich Gedenkstättenfahrten in ehemalige Konzentrationslager durch Aktion Sühnezeichen (Ost) und aus der Bundesrepublik organisiert werden konnten. Dadurch entstand bereits Mitte der 1960er Jahre die Idee zur Errichtung einer internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim/Auschwitz - die 1986 mit materieller Unterstützung durch die Bundesregierung tatsächlich eingeweiht werden konnte. Bis zu den ersten freien Wahlen in Polen 1990 waren es jedoch vor allem engagierte junge Erwachsene von Aktion Sühnezeichen DDR, die Sommerlager in Polen organisierten, Kontakte zu polnischen NS-Überlebenden aufbauten und versuchten, dem offiziellen Geschichtsdiskurs einen Dialog an der Basis entgegen zu setzen.
Ein Freiwilligendienst heute in Polen bietet auch die Chance, sich intensiv mit der polnischen Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg – und damit auch auf die stalinistischen Verfolgungs- und Säuberungswellen sowie die polnische Teilung und den sowjetisch-geprägten Staatskommunismus – auseinanderzusetzen und in spannenden tri-nationalen Seminren die unterschiedlichen deutsch-ukrainisch-polnischen Perspektiven auf Identität, Geschichte und Europa heute kennen zu lernen.