Alle Freiwilligen haben die Möglichkeit, in der Vorbereitung auf ihren Freiwilligendienst an einer Gedenkstättenfahrt nach Polen teilzunehmen. Dort können sie sich intensiv mit deutscher Geschichte auseinandersetzen, aber auch ihre zukünftigen Mitfreiwilligen kennen lernen. Der Freiwillige Jan Thorben berichtet von dem tiefen Eindruck, den die Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim (Auschwitz) bei ihm hinterlassen hat.
Als Vorbereitung für unseren Freiwilligendienst begaben wir, also eine bunt Gruppe zukünftiger Freiwilliger für unterschiedliche Länder und Projektbereiche, uns nach Polen. Genauer gesagt ging es in die Stadt, deren eigentlicher Name Oświęcim von den Nationalsozialisten geraubt wurde und die seitdem besser unter dem Namen Auschwitz bekannt ist. Es ging darum, die Gedenkstätten zu besichtigen und damit erahnen zu können, was im Zweiten Weltkrieg an diesem Ort passiert ist.
Besonders bewegt waren wir im Stammlager, das auf den ersten Blick bei Sonnenschein nicht sehr furchteinflößend erscheint, nein, mehr wie eine kleine Stadt. Doch bereits in den Ausstellungsräumen wurde uns das Grauen immer mehr bewusst, das hier und in dem wenige Kilometer entfernt liegenden Auschwitz-Birkenau geschah. Man kann sich nicht vorstellen, was die Opfer der Nationalsozialisten durchgemacht haben - auch der Besuch in den Gedenkstätten konnte dies nicht beantworten, im Gegenteil, es sind immer mehr Fragen nach dem Warum aufgekommen. In Diskussionen haben wir uns dann auch über unsere Rolle als Deutsche ausgetauscht. Wir sind nicht schuldig für diese Verbrechen, zu deren Zeitpunkt nicht einmal unsere Eltern geboren wurden. Aber wir haben eine Verantwortung, das so etwas nicht noch einmal passiert und wir deshalb Wege der Versöhnung und des gegenseitigen Respektes einschlagen bzw. diese Wege weiter gehen müssen. Darüber hinaus lernt man sich selbst in der Konfrontation mit der Geschichte besser kennen.
Aber wir haben auch andere Erfahrungen machen dürfen. Oświęcim ist heute eine moderne Kleinstadt mit ca. 40.000 Einwohnern. Das Leben floriert; die Menschen leben hier, ohne sich von der Geschichte vereinnahmen zu lassen. Dies verdient nicht nur Respekt, sondern das, was sich abseits der Touristenströme abspielt, verdient allgemeine Aufmerksamkeit!
Der zweite Teil der Gedenkstättenfahrt fand dann in Kraków statt. Von Zapiekanka über Pierogi – das gesamte, moderne polnische Leben wurde ausgekostet. Natürlich durfte der geschichtliche Bezug nicht fehlen – aber aus der Kombination erwuchsen wieder viele neue Eindrücke. Insbesondere das jüdische Viertel Kazimierz hat einen unverwechselbaren Charme. Jeden Abend gibt es hier viele Angebote, Menschen kennenzulernen oder Kontakte zu vertiefen.
Insgesamt war diese Gedenkstättenfahrt unglaublich vielseitig und ein Vorgeschmack auf das, was einen im Freiwilligendienst erwartet. Es lohnt sich auf jeden Fall, dies mitzuerleben!
Jan Thorben Wilkens, Jahrgang 1992, Freiwilliger der Generation 2012/2013 in einer Tagesbetreuung für Kinder mit mehrfachen Behinderungen in Haifa, Israel