Carl-Philipp Spahlinger machte 2019/2020 seinen Freiwilligendienst im Zentralarchiv für die Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem. Seine Eindrücke nach einem halben Jahr im Projekt könnt ihr hier Nachlesen.
»An einem Dienstag begann meine Arbeit beim CAHJP. Mit meinem neu gekauften Fahrrad fuhr ich zur Universität, wo das Archiv seinen Sitz hat. Dort wurde ich sehr herzlich von meiner neuen Chefin Inka in Empfang genommen und bekam erstmal alle Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Das Archiv ist in mehrere Abteilungen nach Ländern aufgeteilt, ich arbeite in der deutschen Abteilung, was bedeutet, dass ich mich vorrangig mit deutschen Dokumenten beschäftige. In meiner ersten Woche wurde ich in die Archivarbeit eingeführt. Gemeinsam mit Inka bereitete ich Akten einer großen Privatsammlung eines deutschen Rabbiners für die Digitalisierung vor. Das bedeutete vor allem die Akten neu verpacken und den Inhalt chronologisch ordnen. Nicht die spannendste Aufgabe, sie gab mir aber die Möglichkeit mich an die Materialen zu gewöhnen. Denn Briefe, die überwiegend auf Durchschlagpapier, also sehr dünnem, durchscheinendem Papier geschrieben sind, benötigen eine ganz andere Behandlung als alltägliche Dokumente. Und immer wieder stieß ich auch auf Briefe oder andere Dokumente, die sich sehr spannend lesen ließen.
Nach dieser Eingewöhnungswoche durfte ich dann aber mit „meinem“ Projekt starten: die United Restitutions Organization, kurz URO, hat in den 50er bis 70er Jahren überwiegend jüdische Menschen vertreten, die entweder eigene Entschädigungsansprüche gegenüber dem Deutschen Reich, vertreten durch die BRD als Rechtsnachfolgerin, oder nach ihren geschädigten Verwandten gelten machten. Die Prozessakten zu sichten und in die Datenbank des Archives aufzunehmen ist meine Aufgabe. Eine Aufgabe, mit der ich sehr glücklich bin. Im Prinzip besteht meine Arbeit daraus, die Akte zu sichten, ihr eine neue Signatur, also Ordnungsnummer, zuzuweisen und einige Informationen zu dem vorliegenden Fall in die Datenbank zu übertragen. Dies klingt zugegebenermaßen eintönig. Doch positiver formuliert habe ich damit eine sehr angenehme und fast schon meditative Aufgabe. Das wirklich interessante an meiner Arbeit kommt aber, wenn ich mir bei einer Akte mehr Zeit nehme und sie lese. Denn die Akten geben nicht nur einen sehr umfassenden Einblick in juristische Arbeit – etwas, was mich als Jura-Interessent reizt –, sondern beinhalten fast immer auch eidesstattliche Versicherungen der Antragsteller, was sehr tiefe Einblicke in die Erlebnisse und Biografien von Überlebenden und Opfern des Holocaust ermöglicht. Also alles andere als eintönig.«
Der Text ist ein Auszug aus Carls erstem Projektbericht aus dem Dezember 2019.