Sehr geehrte Frau von Hammerstein,
im Namen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland spreche ich Ihnen anlässlich des Todes Ihres verehrten Mannes, Franz Freiherr von Hammerstein-Equord, unser herzliches Beileid aus.
Nachdem er im Umfeld seines 90. Geburtstages, den er im Juni ja noch feiern konnte, immer schwächer und kränklicher geworden war, kam sein Tod wohl auch als eine Erlösung für ihn und für seine Angehörigen. Und doch ist ein solcher Abschied, ich habe das in meinem Leben selbst erfahren, immer auch unendlich schmerzlich. Umso mehr, wenn der Mensch, den man da verliert, ein so aktives und reiches und faszinierendes Leben geführt hat wie Ihr Mann. Umso mehr, wenn er ein Mensch mit Charakter und Charisma war - so wie Ihr Mann.
Die Evangelische Kirche in Deutschland erinnert sich an einen Mann, der schon familiär (durch seinen Vater und seine Geschwister) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus beheimatet war, der sodann in der Bekennenden Kirche seine theologischen Wurzeln hatte, der weiterhin zusammen mit Lothar Kreyssig zum Gründungsvater von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste wurde und der auch als Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin eine Person mit großer öffentlicher Präsenz und Ausstrahlungskraft war. Obwohl er evangelischer Theologe war, wirkte er weniger als ein Vertreter der so genannten verfassten Kirche, sondern eher als ein Repräsentant der "freien Geistesmacht" (Friedrich Schleiermacher), die es in der Kirche und außerhalb derselben gibt und ohne die eine Amtskirche nicht wirklich den Geist der Freiheit atmet, der ihrem Wesen gemäß sein sollte.
Ich erinnere mich an viele Begegnungen mit Ihrem Mann, unter anderem bei der großen Feier anlässlich des 60jährigen Jubiläums von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste im Mai 2008. Gerne denke ich an diese Feier zurück. Es waren die Festtage eines Markenzeichens des deutschen Protestantismus - denn so und nicht anders kann ich Aktion Sühnezeichen einschätzen, jene Organisation, an deren Erfolg und Gelingen Ihr Mann vor allem in den 60er und 70er Jahren so großen Anteil hatte und die er bis zuletzt noch in der Mitgliederversammlung und als Mitglied des Kuratoriums aufmerksam und stets hilfreich begleitete.
Wenn ich die Losung und den Lehrtext des Todestages von Franz von Hammerstein lese, so wird mir klar, wie gut sie auf diesen Menschen und sein Leben und Wirken passen. "Das Zeugnis des Herrn ist gewiss und macht die Unverständigen weise" (Psalm 19,8) ist die Losung, und der Lehrtext lautet: "In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis" (Kolosser 2,3). Die Gewissheit von der Wahrheit des Evangeliums machte Franz von Hammerstein stark und mutig, ja, zu einer Führungsfigur. Sie führte ihn aber auch zu einer durchweg lebenspraktisch gedachten Weisheit. Die biblische Weisheit, von der die Psalmen sprechen und die auch im Jakobusbrief des Neuen Testaments eine große Rolle spielt, ist ja nicht im griechischen Sinne als das Endziel philosophischer Dialektik oder als Ergebnis der platonischen Ideenschau zu verstehen, sondern betrifft vielmehr den konkreten Lebenswandel der Menschen vor Gott im Horizont ihrer Geschöpflichkeit und Endlichkeit. Wer weise ist, sucht in seiner eigenen Existenz das Gott wohlgefällige Handeln. Wer sein Handeln vor Gott von Gott her und auf ihn hin verantwortet, der handelt im Sinne einer "Weisheit von oben", also einer Lebensklugheit, die er nicht sich selbst verdankt, sondern die ihm vom Himmel geschenkt wurde.
Ich habe Ihren lieben Mann immer als einen von einer lebensklugen "Weisheit von oben" gelenkten Menschen gesehen. Und ich wünsche Ihnen und Ihrer ganzen Familie denjenigen Trost und diejenige Hoffnung, die in Gottes Weisheit selbst ihren Grund haben. Möge unser Gott Sie segnen und freundlich begleiten, jetzt, in der Stunde des Abschieds, und auf Ihren künftigen Wegen!
Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen,
Ihr
Präses Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der EKD