Irina Scherbakova: Leipziger Rede zur Demokratie und Nobelpreis

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Unsere langjährige Projektpartnerin und ASF-Kuratorin Irina Scherbakova hat zum Jahrestag der Friedlichen Revolution die „Rede zur Demokratie“ in der Leipziger Nikolaikirche gehalten. Sie betonte dabei den Zusammenhang von historischer Aufklärung der Gewaltgeschichte sowie dem Engagement gegen aktuelle Menschenrechtsverletzungen und gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine.

Die promovierte Germanistin und Historikerin Irina Scherbakova ist Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. Seit der Perestroika setzt sich dieses internationale Netzwerk für die Aufarbeitung der stalinistischen und nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Osteuropa ein und unterstützt die Überlebenden. Memorial dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und leistet Unterstützung für deren Opfer, darunter auch in der von zwei Kriegen gezeichneten Nordkaukasusrepublick Tschetschenien. Dieses Engagement wird seit langem in Russland unterdrückt, im Februar wurde die Internationale Memorial-Organisation verboten. Memorial erhielt am 7. Oktober 2022 gemeinsam mit Ales Bjaljazki aus Belarus und mit der ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties den Friedensnobelpreis.

Seit Jahrzehnten haben Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in verschiedenen Memorial-Projekten u.a. in Moskau, Perm und St. Petersburg sowie an Gulag-Gedenkorten ihren Friedensdienst geleistet. Auch derzeit, wo wir leider aufgrund des Angriffskrieges und der Repressionen unsere Arbeit in Russland aussetzen mussten, halten wir weiterhin Kontakt mit unseren Partnerorganisationen und versuchen von Deutschland aus sie zu unterstützen und zur Aufarbeitung der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zu arbeiten.

Irina Scherbakova musste nach der russischen Invasion in der Ukraine und wegen der massiven Verfolgung der Opposition Moskau im Frühjahr 2022 verlassen. Sie lebt derzeit in Deutschland. Als Autorin und Herausgeberin veröffentlichte sie zahlreiche Bücher zu Stalinismus, Erinnerungskultur und den Beziehungen zwischen Russland und Deutschland.

In ihrer Ansprache schlug sie von der Perestroika und der Friedens- und Demokratiebewegung in der DDR den Bogen zur aktuellen Repression in Russland und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Mit Blick auf die gemeinsame Nobelpreisauszeichnung von zivilgesellschaftlichen Initiativen in der Ukraine, Belarus und Russland sagte sie, es gehe um

"[…] die Frage, wie können die Menschenrechtler und Historiker zu einem Frieden beitragen, und das mitten in so einem blutigen Angriffskrieg. Aber ich hoffe, dass man gerade hier, in Leipzig, versteht, wie eng das eine mit dem anderen verknüpft ist. Unser Fokus als Aufarbeitungs- und Menschenrechtsorganisation war immer der einzelne Mensch, seine Rechte, seine Würde, seine Geschichte."

Die Rede kann hier als Videomitschnitt angeschaut oder hier nachgelesen werden.

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