Wir trauern um Getrud Gumlich

© ASF/Gundi Abramski

Gertrud Gumlich bei der Mitgliederversammlung 2014

Ein Leben beseelt von Versöhnung und Frieden

Gertrud Gumlich (1930-2021)

Am 21. Juli 2021 ist Gertrud Gumlich im Alter von 91 Jahren verstorben. Sie hat die Arbeit von Aktion Sühnezeichen über einen langen Zeitraum engagiert begleitet und mitgestaltet.

Über fünf Jahrzehnte durften wir sie in Gesprächsrunden und auf Mitgliedertreffen von Sühnezeichen in West und Ost erleben, als aufmerksame, disziplinierte und aktive Teilnehmerin mit Block und Schreibzeug, meist ganz vorn sitzend. Zu Wortmeldungen stand sie auf und formulierte konzentriert Einwände, Nachfragen und vermittelnde Beiträge. Die Menschen hörten ihr zu.

Gertrud Gumlich hat Vereinsgeschichte geschrieben. Die ASF-Mitgliederversammlung wählte sie 1984, als Nachfolgerin für Altbischof Kurt Scharf, zur Vorsitzenden. Sie war die erste Frau in dieser Position. Auch als stellvertretende Vorsitzende (1986-1988) sowie als Mitglied des Kuratoriums (2000-2005) brachte sie viele Jahre ihren Sachverstand und Rat ein.

Besonders am Herzen lagen ihr die Überlebenden der NS-Verbrechen in osteuropäischen Ländern. Als Ärztin konnte sie im geteilten Europa berufliche Verbindungen nutzen und Pakete mit Medikamentenspenden organisieren. Diese stapelten sich in der ASF-Geschäftsstelle, bis sie den Empfänger*innen in Polen oder der Sowjetunion zugestellt werden konnten. Nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ und ihrer Teilnahme an der ersten Sühnezeichen-Studienreise in die Ukraine im Mai 2006 schilderte sie im „zeichen“ ihre Eindrücke und plädierte für eine Fortsetzung der ASF-Begegnungsprogramme im östlichen Europa.

Als 1989 die Mauer fiel, gehörte Gertrud Gumlich zu den Ersten bei ASF, die eine direkte intensive Begegnung mit Aktion Sühnezeichen (ASZ) in der DDR pflegten. Auf den ASZ-Jahrestreffen im Berliner Stephanus-Stift war sie ein gern gesehener Gast. Im Zuge des Vereinigungsprozesses von Sühnezeichen in Ost und West wurde sie 1995 in die „Vertrauenskommission“ von ASF berufen und begleitete die Nachforschungen zur Geschichte der beiden Vereine und den Umgang mit ihren Stasi-Verbindungen.  Die Zusammenführung der beiden Sühnezeichen war eine schwierige Aufgabe. Im April 2008 hat Gertrud Gumlich ihre damaligen Eindrücke in einem gemeinsam mit Ursel Agt verfassten Artikel im „zeichen“ rückblickend zusammengefasst: „Da standen sich nun Verwandte mit sehr unterschiedlichen Lebenserfahrungen gegenüber, die jetzt unter einem Dach wohnen sollten und wollten.“

Die Traueranzeige der Familie resümiert: „Ein Leben beseelt von Versöhnung und Frieden“. Zeitlebens hat Gertrud Gumlich in ihren beruflichen, kirchlichen und sozialpolitischen Netzwerken für Menschenrechte und internationale Verständigung gewirkt. Wir sind sehr dankbar dafür, dass sie die Energie und Ausdauer gefunden hat, auch Aktion Sühnezeichen Friedensdienste eine treue Wegbegleiterin zu sein.

Hildegart Stellmacher, Mitglied des ASF-Vorstands, erinnert sich

Als Gertrud Gumlich Vorsitzende von ASF war, bestanden nebeneinander Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Aktion Sühnezeichen in der DDR (ASZ). Kontakte zwischen beiden wurden immer wieder gesucht und gehalten. Gelegentlich kam Gertrud Gumlich nach Ostberlin, um dort den Leitungskreis von ASZ aufzusuchen, zu dem damals auch Joachim Stellmacher, mein Mann, gehörte. Solche Besuche waren etwas Besonderes, sie brachten Informationen, Bücher, die bei uns nicht zu haben waren, und weiteten den Blick. Mitte der achtziger Jahre besuchte Gertrud meinen Mann und mich in Dresden. Es war wohl ein Halt auf der Durchreise von Prag, aber vielleicht kam sie auch extra von Berlin. Jedenfalls verbrachten wir ein paar schöne Stunden beim Tee im intensiven Gespräch. Stoff gab es genug: Im Westen gab es Freiwilligendienste und eine Friedensbewegung; in Dresden, wie auch in manch anderen Städten, gab es damals eine Bezirksgruppe von Aktion Sühnezeichen, außerdem hatten sich einige Friedensarbeitskreise im Umkreis der Kirche gebildet.

Etwa zehn Jahre später, als sich die beiden Teile von Sühnezeichen schon zu einem Ganzen vereinigt hatten, führte ein Auftrag der Mitgliederversammlung Gertrud und mich wieder zusammen: Eine Vertrauenskommission sollte zur Beratung und zum Gespräch zur Verfügung stehen und herausfinden, ob und wie die Staatssicherheit der DDR versucht hatte, in die Arbeit von ASZ und ASF einzuwirken. Viele Gespräche führten wir miteinander und mit anderen. Zwei intensive Jahre arbeiteten wir, insgesamt zu fünft, mit unterschiedlichen Sichtweisen aus verschiedenen Lebenssituationen, zusammen. Wenn wir uns später bei Jahresversammlungen und Mitgliederversammlungen wieder trafen, haben wir uns gefreut und ausgetauscht.

Ich bin dankbar für die Begegnung mit Gertrud Gumlich.

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