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Verena von Hammerstein (1922-2021)
Am 25. Juni 2021 starb Verena von Hammerstein im Alter von 99 Jahren in Berlin. Traurig nehmen wir Abschied von einer wichtigen Weggefährtin von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Die Schweizer Theologin engagierte sich auf vielfältige Weise für den christlich-jüdischen Dialog, für ein theologisches Verständnis der Arbeit gegen rassistische Diskriminierung, für globale Gerechtigkeit und internationale Verständigung. Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Geschichte begleitete ihr Engagement über Jahrzehnte hinweg.
Verena von Hammerstein wurde 1922 in der Schweiz geboren. Ihre biografischen Erlebnisse mit jüdischen Freundinnen und der Unterstützung jüdischer Emigrant*innen im Krieg in der Schweiz sind in dem 2019 erschienenen Buch „Verena von Hammerstein und ihre jüdischen Freundinnen“ verarbeitet. Sie kam nach Stationen in Genf und Paris nach West-Deutschland und heiratete 1952 Franz von Hammerstein, der die Arbeit von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ab 1958 über Jahrzehnte prägte.
Von 1954 bis 1957 lebte Verena von Hammerstein in den USA, sie kam dort mit einem tief verwurzelten Rassismus, sozialen Ungerechtigkeiten, aber auch einer Gemeinwesen-Orientierung sowie neuen Debatten und Perspektiven in Berührung, die sie prägten. Diese Erkenntnisse finden sich in dem mit ihrem Mann herausgegebenen Buch: „Verantwortliche Gemeinde in Amerika“.
Neben ihrer Verbundenheit mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste engagierte sich Verena von Hammerstein für die fast zeitgleich gegründete Organisation Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, deren Schwerpunkt auf Fragen der globalen Gerechtigkeit liegen.
Verena von Hammerstein war eine kluge Theologin, eine wache politische Beobachterin. Ihre internationalen Erfahrungen, ihre interreligiösen Begegnungen, ihre Belesenheit und ihre politischen, kirchlichen sowie gesellschaftlichen Impulse machten sie zu einer spannenden Gesprächspartnerin. Gedanken und Assoziationen sprudelten oft aus ihr heraus, verbunden mit großer Herzlichkeit und Neugierde. Plötzlich kramte sie ein paar Hebräisch-Kenntnisse hervor, suchte nach einem passenden Text, brachte neue Kontakte ins Spiel. Die Gespräche waren bis zuletzt bereichernd.
Wir erinnern uns sehr gerne an die treue und sehr rege Teilnahme von Verena von Hammerstein an Gedenkgottesdiensten, Mitgliederversammlungen, Empfängen und Weihnachtsfeiern. Sie war immer umringt von Menschen, die gerne mit ihr ins Gespräch kamen. Einmal bat sie uns darum, sie zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung zu begleiten. Ein Vorstandsmitglied holte sie zu Hause ab. Er war selbst Theologe und führte mit ihr während der gesamten Autofahrt angeregte Diskussionen, verfuhr sich aber auf dem Weg. Verena von Hammerstein kommentierte dies verschmitzt: „Dann hoffe ich, dass Sie besser predigen als Autofahren!“
2019 erzählte sie in einem Interview für das zeichen von ihrem ehrenamtlichen Engagement: „Ich saß den halben Tag an der Schreibmaschine zu Hause, ich schrieb Berichte, machte Übersetzungen. Das ersparte sicher eine Bürokraft.“ Später organisierte sie Reisen für Freiwillige: „Ich hatte ein halbes Reisebüro.“ Sie habe viel erlebt in ihrem Leben, zog Verena von Hammerstein damals Bilanz, es sei eine andere Zeit gewesen. „Heute treten die Frauen ja auch ganz anders auf. Und das ist gut so.“
Verena von Hammerstein hat uns durch ihre Geschichten, ihre Persönlichkeit und ihre große Verbundenheit unterstützt und bereichert. Wir verlieren eine Freundin und Weggefährten, wir verlieren eine beherzte und aufmerksame Begleiterin. Unsere tiefe Anteilnahme gilt ihren Söhnen und ihrer großen Familie.
Ich bin dankbar, dass ich Verena von Hammerstein kennen lernen durfte.
Jutta Weduwen