© Staatliches Museum Majdanek
Zdzisław Badio (1925-2021)
"Jedes Brotkrümmelchen wurde vom Boden aufgesammelt. Die Menschen wussten nicht, was sie mit diesem Brot machen sollten: sofort essen oder ein bisschen für das Frühstück aufsparen. Meistens aß man immer nur ein kleines Stück, mit dem Gedanken, ein Stück für später aufzuheben, aber nach ein paar Bissen war schon nichts mehr übrig."
So fing Zdzisław Badio die Gespräche mit vielen der Gruppen von neuen ASF-Freiwilligen an, die an der Gedenkstättenfahrt nach Majdanek zur Vorbereitung ihres Freiwilligendienstes teilnahmen. Der Hunger, der ihn im Konzentrationslager quälte, war ein bestimmendes Thema der Treffen mit ihm. Er schilderte, wie er als 17-jähriger ohne Grund – im Rahmen einer Razzia – in seinem Heimatort Krupe verhaftet wurde und im September 1942 ins Konzentrationslager Majdanek eingeliefert wurde. Wie es ihm schwer fiel sich an die neue Realität – an die Lagerrealität - anzupassen. Er entlockte den Zuhörer*innen ein Lächeln, wenn er erzählte, dass er sich aus Versehen beim Zählappel am falschen Block aufstellte, da er seine kahlgeschorenen Kameraden nicht mehr erkannte. Ein Lächeln, das gleich wieder erstarb, als er weiter sprach und von den Schlägen berichtete, die er für diesen Fehler erhielt.
Nach vier langen Monaten wird er aus dem KZ Majdanek entlassen. Dass er den Zuhörer*innen keinen Grund dafür nennen konnte, warum er entlassen wurde und seine zivile Kleidung und sogar sein Geld zurückbekam, beschäftigte ihn sehr. Er betonte immer wieder, dass er es sich selbst auch nicht erklären kann, dass es wahrscheinlich daran lag, dass er auch ohne Grund in das Konzentrationslager verschleppt wurde. Dank des zurückerhaltenen Geldes, konnte er sich am Bahnhof in Lublin dann nicht nur eine, sondern gleich zwei Suppen kaufen, bevor er mit dem Zug in sein Heimatdorf zurückfuhr. Auf der Zugfahrt wurde ihm erst bewusst, wie die Monate ihm Lager auch sein Aussehen verändert haben mussten. Eine Nachbarin erkannte ihn nicht, sie erschreckte sich ihn zu sehen, seine Kopfwunde war nicht verheilt. Eine Wunde, die er den Schlägen eines Kapos verdankte, der ihn beim Stehlen einer Kartoffel ertappt hatte. Die Verletzung konnte erst nach dem Krieg richtig behandelt werden – bei den Treffen mit den Gruppen starrten die Zuhörer*innen in diesem Moment unwillkürlich auf die weiterhin sichtbare Narbe.
Zdzisław Badio war trotz allem ein freundlicher, offener und warmer Mensch, der sich um seine Mitmenschen kümmerte. Die Zuhörer*innen – er traf sich mit vielen Gruppen von Jugendlichen aus Deutschland und Polen, während ihrer Aufenthalte in der Gedenkstätte Majdanek - wollte er immer mit einer positiven Botschaft aus den Treffen verabschieden. Um seine ehemaligen Mitgefangenen – die ehemaligen Häftlinge – sorgte er sich, besonders auch in seinem Amt als Vertrauensmann für das Maximilian-Kolbe-Werk in der Region Lublin und als Vorsitzender der Lubliner Abteilung des polnischen Verbandes ehemaliger politischer Häftlinge nationalsozialistischer Gefängnisse und Konzentrationslager. Die ASF-Freiwilligen in der Gedenkstätte Majdanek, nahm er unter seine Fittiche und half ihnen in Polen anzukommen und aber auch ohne Scheu auf ihn und seine Lagerkamerad*innen zu zugehen.
Als er am 60-jährigen Jubiläum von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Berlin teilnahm, brachte er ein von ihm hergestelltes Album mit, in dem er allen Freiwilligen, die ein Jahr ihren Dienst in der Gedenkstätte Majdanek geleistet hatten, jeweils eine Seite gewidmet hatte. Um festzuhalten, was für besondere Menschen es waren und um zu zeigen, wie viel es ihm bedeutete, dass junge Deutsche nach Polen, zur Gedenkstätte kommen und sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
Für seine Verdienste im Prozess der deutsch-polnischen Versöhnung wurde er 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Am 22. Juli 2019, anlässlich des 75. Jahrestages der Liquidierung des KZ Majdanek, sagte er: "Seit Jahren sprechen wir als Zeitzeugen über Majdanek, nicht nur in unserem eigenen Namen, sondern auch im Namen derer, die hier ermordet wurden und deren Asche im Mausoleum ruht. Wir haben ihnen versprochen, dass wir uns, falls wir überleben, um ihre Angehörigen kümmern werden, und dass wir nicht zulassen werden, dass die Welt die Opfer und die Geschichte dieses Ortes vergisst. Im Namen einer kleinen Gruppe ehemaliger Häftlinge möchte ich sagen, dass wir trotz unseres fortgeschrittenen Alters, das seine eigenen Regeln hat, in unseren Bemühungen nicht nachlassen werden. Wir, die ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Majdanek, bitten, in unserem eigenen Namen und im Namen derer, an deren Asche wir stehen, unsere Geschichte an die nächsten Generationen weiterzugeben. Erinnert euch an uns, aber vergebt auch, denn nur dank der Vergebung ist die für uns alle so notwendige Aussöhnung möglich. Erinnert euch.“
Wir werden uns erinnern.
Zdzisław Badio verstarb am 01.08.im Alter von 95 Jahren, wenige Wochen vor seinem Geburtstag am 25. August. Er wird uns sehr fehlen.
Von Judith Hoehne-Krawczyk
Leiterin der Projekte der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz (IJBS)/ Stellvertretende Leiterin der Bildungs- und Programmabteilung