Wir trauern um Zofia Posmysz

© IJBS

Wir trauern um Zofia Posmysz, Überlebende von Auschwitz und Schriftstellerin, die am 08. August 2022 im Alter von 98 Jahren in Oświęcim verstorben ist.

Zofia Posmysz wurde am 23. August 1923 in Krakau geboren. Um ihre Ausbildung nach Kriegsbeginn fortsetzen zu können, begann sie illegal organisierten Unterricht zu besuchen. Dabei kam sie mit der Untergrundpresse in Berührung, die von Klassenkameraden vertrieben wurde. Die ganze Gruppe wurde vermutlich aufgrund einer Denunziation am 15. April 1942 verhaftet.

Nach einem sechswöchigen Aufenthalt im Gefängnis von Montelupich wurde die 18-jährige Zofia Posmysz am 30. Mai 1942 nach Auschwitz gebracht, wo sie bis Januar 1945 interniert war und nicht nur die katastrophalen Bedingungen im Frauenlager in Birkenau, sondern auch die Strafkompanie in Budy sowie eine schwere Typhuserkrankung überlebte. Im Rahmen der Evakuierung von Auschwitz musste sie mit anderen Häftlingen nach Ravensbrück und dann in das Außenlager Neustadt-Glewe marschieren, wo sie am 02.05.1945 die Befreiung durch die Alliierten erlebte. Von dort machte sie sich zusammen mit zwanzig Frauen zu Fuß auf den Weg nach Polen und erreichte Ende Mai Krakau.

Um eine Arbeit aufzunehmen und ihre Ausbildung fortsetzen zu können, zog Zofia Posmysz nach Warschau, wo sie 1946 ihr Abitur bestand und danach Polonistik an der Universität Warschau studierte und gleichzeitig nachts als Korrektorin für eine Tageszeitung arbeitete.

Ihre literarische Karriere begann mit dem Hörspiel „Die Passagierin aus Kabine 45“ (1959). Die Resonanz, die es hervorrief, führte dazu, dass es bald für das Fernsehen adaptiert wurde, und der Regisseur Andrzej Munk beschloss, „Die Passagierin“ zu verfilmen. Der Film wurde nach dem Tod seines Autors 1963 veröffentlicht. Ein Jahr zuvor wurde „Die Passagierin“ als Roman herausgegeben und 1968 komponierte Mieczysław Weinberg auf dessen Grundlage eine Oper nach einem Libretto von Alexander Medwedew. Die szenische Uraufführung der Oper fand erst am 21. Juli 2010 während der Bregenzer Festspiele in Anwesenheit von Zofia Posmysz statt.

Zofia Posmysz Werk ist autobiographisch geprägt und bezieht sich häufig auf ihre Lagererfahrungen. Ihr Zeugnis spiegelt die Realität des täglichen Überlebens im Lager wider. Ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt, auf Deutsch wurden u.a. „Die Passagierin“, „Urlaub an der Adria“ und „Befreiung und Heimkehr“ herausgegeben.

Zofia Posmysz legte Zeugnis von Auschwitz nicht nur als Schriftstellerin ab. Viele Jahre traf sie sich mit Jugendlichen in der von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste initiierten Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim (IJBS), um von ihren Erfahrungen im Lager zu berichten und der Opfer von Auschwitz zu gedenken. Die Treffen mit jungen Menschen waren für sie von großer Bedeutung: „Was ist die IJBS für mich? Ein Ort, wo ich wie sonst nirgendwo das Gefühl habe, dass mein Leben nicht nutzlos und leer ist, wo ich überzeugt bin, dass ich noch etwas zu tun habe, etwas Nützliches. Ein Ort, wo ich unter mitfühlenden, vertrauten und herzlichen Menschen bin. Die Begegnungen mit jungen Menschen geben mir Hoffnung. Hoffnung darauf, dass durch die Beschäftigung der Jugendlichen mit diesem Flecken Erde, wo – wie der Dichter Andrzej Winogrodzki in ergreifender Weise schrieb – „die Grashalme aus Blut, die Steine aus Asche“ sind, die Welt besser wird. Hoffnung, dass diese Jugendlichen die Zukunft vor einer Bedrohung, für die Auschwitz als Symbol steht, schützen können.“

Sie scheute sich bei den Treffen nicht, mit den Jugendlichen, darunter viele Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, ins Gespräch zu kommen, nicht auf schwierige Fragen zu antworten. Sie wollte ihnen immer ganz ehrlich antworten, auch wenn es ihr schwerfiel, Antworten zu finden. Sie wählte ihre Worte vorsichtig und bedacht und hatte auch immer eine Botschaft für die Jugendlichen. Sie mahnte, sich von Ideologien nicht einnehmen zu lassen: „Man muss sich davor hüten, sich Ideologien willenlos und absolut zu unterwerfen. Denn auch eine edle Idee kann in eine mörderische Waffe verwandelt werden.“ Ihr Blick war dabei nicht nur der Geschichte zugewandt, sie war eine aufmerksame Beobachterin aktueller Ereignisse.

Die Teilnehmer*innen dieser Gespräche bewunderten Zofia Posmysz. Nicht nur für ihre Stärke immer wieder von den Erlebnissen im Lager zu erzählen, sondern besonders auch dafür, wie sie sich ein Leben nach dem Krieg aufbaute und für ihre Erfolge als Schriftstellerin.

Bis vor wenigen Wochen lebte Zofia Posmysz in ihrer Wohnung in Warschau, wo sie von Freiwilligen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste regelmäßig besucht wurde.

Für ihre unermüdlichen Tätigkeiten zum Gedenken an die Opfer von Auschwitz und für die deutsch-polnische Verständigung wurde Zofia Posmysz mit vielen Preisen und Auszeichnungen geehrt. 2012 mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande und 2020 mit dem Orden des Weißen Adlers, der höchsten Auszeichnung der Republik Polen.

Zofia Posmysz wird uns sehr fehlen. Wir danken für ihr Zeugnis und werden uns ihrer und ihres Zeugnisses erinnern.

 

Judith Hoehne-Krawczyk
Leiterin der Projekte der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz (IJBS)/ Stellvertretende Leiterin der Bildungs- und Programmabteilung

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